Programmheft


METAMORPHOSEN
400 Jahre später: Schalmei trifft Oboe

Albrecht Mayer, Oboe
Capella de la Torre
Katharina Bäuml, Schalmei und Leitung
Moderation: Dr. Bernhard Schrammek

Im Konzert treffen sich verwandte und doch verschiedene Instrumente – Oboe und Schalmei stehen einander mit den jeweils zugehörigen Musikstücken direkt gegenüber; verbindendes Thema ist die auf Ovid zurückgehende Metamorphose. Hier wird Musik durch Wort ergänzt, antike Literatur als musikalische Inspiration über die Renaissance bis hin zur Moderne.

Kanonisch für die Auffassung der „heidnischen“ Antike sind Ovids Metamorphosen mit einer Vielzahl von Verwandlungen, beispielsweise der des Adonis in eine Blume, aber auch von Versetzungen in die Sphäre der Sterne wie der Callisto, die Jupiter in das Sternbild des Großen Bären verwandelt. Es erklingen Werke von Benjamin Britten, Cristofano Malvezzi, Claudio Monteverdi u.a.


Albrecht Mayer, Oboe
Capella de la Torre
Katharina Bäuml, Schalmei und Leitung

Benjamin Britten zählt insbesondere mit seinen Orchester-, Chor- und Bühnenwerken zu den weltweit populärsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. In seiner musikalischen Stilistik ließ er sich von unterschiedlichen Richtungen inspirieren. So sah er die logische Deklamation in den Werken des Barockkomponisten Henry Purcells als Vorbild für eine „neue Einfachheit“ an, experimentierte aber auch mit der Zwölftontechnik und interessierte sich schließlich für orientalische Harmonik und die Melodielinien des Gregorianischen Chorals. Brittens Tonsprache veränderte sich zwar im Laufe seines künstlerischen Lebens, bewahrte aber stets ihre unmittelbare Ausdruckskraft und Klarheit.

Die „Sechs Metamorphosen nach Ovid“ für Oboe solo komponierte Benjamin Britten 1951 für das von ihm drei Jahre zuvor begründete Festival in seinem Wohnort Aldeburgh. Dort trafen sich jährlich im Sommer bedeutende Komponisten und Interpreten, um abseits der großen Metropolen neue Gattungs- und Aufführungsformen zu erproben. Für die Uraufführung der „Metamorphosen“ hatte sich Britten ein ganz besonders außergewöhnliches Konzertformat überlegt: Das Publikum wurde in Boote gesetzt und hörte vom Wasser aus die Darbietung der Oboistin Joy Boughton.

Der Zyklus von Britten widmet sich sechs Episoden aus den „Metamorphosen“ des römischen Dichters Ovid. Um seinen Hörern den Zugang zu erleichtern, gab der Komponist den Stücken jeweils lange Titel, die auf den jeweiligen Inhalt verweisen.

Am Beginn steht eine Schilderung von Pan, der auf dem Schilfrohr spielt, hinter dem sich Syrinx, seine Angebetete verbirgt. Als Pan ihr nachstellte, wurde sie von den Göttern in Schilfrohr verwandelt. Die Verbindung zur Oboe liegt hier auf der Hand. Der Fall des Phaeton wird im zweiten Stück thematisiert, hier setzt Britten vor allem auf gebrochene Dreiklänge in raschem Tempo. Danach folgt der große Klagegesang der Niobe, die um ihre 14 Kinder trauert und in einen Stein verwandelt wird. Einen großen Kontrast nach diesem Lamento setzt Britten im Anschluss mit einer sehr ausgelassenen Charakterisierung des Bacchus. Im Mittelpunkt des fünften Satzes steht Narcissus, der sich in sein Spiegelbild verliebte. Konsequenterweise lässt Britten hier die Motive jeweils in der Umkehrung wiederholen, also spiegeln. Den Abschluss des Zyklus bildet Arethusa, die sich in eine Quelle verwandelt, was Britten durch eine sehr flüssige Linienführung versinnbildlicht.

Dr. Bernhard Schrammek

Albrecht Mayer, Oboe

Capella de la Torre
Margaret Hunter, Sopran
Hildegard Wippermann, Altpommer und Flöte
Yosuke Kurihara, Posaune
Regina Hahnke, Bassdulzian
Martina Fiedler, Orgel
Frank Pschichholz, Theorbe und Gitarre
Mike Turnbull, Percussion

Katharina Bäuml, Schalmei und Leitung

Dr. Bernhard Schrammek, Moderation

Emilio Cavallieri
O che nuovo miracolo

Benjamin Britten
Pan (der auf der Rohrpfeife spielte, der Syrinx, seiner Geliebten)

Anonym
Basse danse Aliot Nouvelle

Girolamo Frescobaldi
Se l’aura spira

Claudio Monteverdi
Zefiro torna

Niccolò Piffaro
Di lassar tu divo aspetto

Benjamin Britten
Phaeton (der auf dem Sonnenwagen ritt und von einem Donner
schlag in den Fluß Padus geschleudert wurde)

Michael Praetorius
Ballet des feus

Anonym
Chi vuol seguir la guerra

Benjamin Britten
Niobe (die in einen Stein verwandelt wurde, während sie den Tod
ihrer vierzehn Kinder beweinte)

Tomás Luis De Victoria
Requiem aeternam -Introitus

Anthony Holborne
Pavan The Funerals; Almain The Fruit of Love

Benjamin Britten
Bacchus (auf dessen Gelagen das Kichern von Frauen, schnatternde
Schreie von Jungen und Gelächter zu hören sind)

Francesco Corteccia
Bacco, Bacco eouo

Claudio Monteverdi
Damigella tutta bella

Benjamin Britten
Narcissus (der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte und zur
Blume wurde)

Giovanni Ghizzolo
Canto di sirene ; Risposta di Nettuno

Jacob Arcadelt
Il bianco et dolce cigno

Benjamin Britten
Arethusa (die aus Liebe zum Flußgott Alpheus in eine Quelle
verwandelt wurde)

Baccio Moschini/ Claudio Monteverdi
Ecco il Signor il Tebro/ Giovinetta

Liedexte und Übersetzungen


O che nuovo miracolo,
Ecco che in Terra scendono,
Celeste alto spettacolo,
Gli Dei che il Mondo accendono.
Ecco Himeneo e Venere
Col piè la Terra hor premere.

Was für ein neues Wunder
Seht wie die Götter
zu diesem himmlischen Spektakel
auf die Erde herabsteigen.
Seht Himeneo und Venus,
die mit ihren Füssen die Erde berühren.

Se l’aura spira tutta vezzosa,
la fresca rosa ridente sta,
la siepe ombrosa di bei smeraldi
d’estivi caldi timor non ha.

A balli, a balli, liete venite,
ninfe gradite, fior di beltà.
Or, che sì chiaro il vago fonte
dall’alto monte al mar s’en va.

Suoi dolci versi spiega l’augello,
e l’arboscello fiorito sta.
Un volto bello al l’ombra accanto sol
si dia vanto d’haver pieta.

Al canto, al canto, ninfe ridenti,
Scacciate i venti di crudeltà.

Se l’aura spira tutta vezzosa […]

Wenn der Windhauch anmutig atmet,
steht die frische Rose lächelnd da,
die schattige Hecke von smaragdgrünen Zweigen fürchtet sich nicht vor Sommerhitze.


Zum Tanz, zum Tanz kommt fröhlich,
anmutige Nymphen, Blüte der Schönheit.
Nun, da so klar die schweifende Quelle
vom hohen Berg zum Meer herabsteigt.


Seine süßen Reime lässt das Vögelchen hören,
und das Bäumchen steht in Blüte.
Ein schönes Antlitz zwischen den Schatten
zeigt sich voll Anteilnahme.

Zum Gesang, ihr lächelnden Nymphen,
Verjagt die Stürme der Grausamkeit.

Wenn der Windhauch anmutig atmet […]


Di lassar tuo divo aspetto     
Forza m’e benché mi duole.
Pur ohimè, donna, non vuole
Di fugirla i’ son constretto.
Di lassar […]   

Euren göttlichen Anblick zu verlassen,
Habe ich die Macht, auch wenn es mich schmerzt,
Obgleich ich es, ach Herrin, nicht will,
Bin ich gezwungen, zu fliehen.
Euren göttlichen Anblick […]

Chi vuol seguir la guerra
per far del Ciel’acquisto
sù levisi da terra,
et venga à farsi cavallier di Christo.

Chi non ha cuor non vada,
chi teme d’arc’ò fiomba,
ritornisi per strada,
che poi non fugga al primo suon di tromba.

Tu dolce mio Signore,
perch’io non fussi vinto,
soffristi ogni dolore
e in campo aperto rimanesti estinto.

Et io per te ne foco
sopporto, ne flagello,
ma temo un picciol gioco
de fanciulli, che dican’ vello vello.

Or che grave cordoglio,
lo scudo che gittai,
hoggi ripigliar’ voglio,
ripigliar’ voglio, e non lasciarlo mai.

Wer in den Krieg ziehen will,
um den Himmel zu erwerben,
sollte sich von der Erde erheben,
Und kommen, ein Ritter Christi zu sein.


Wer keinen Schneid hat, sollte es lassen,
wer Bogen und Schleuder fürchtet,
sollte umkehren,
sonst flieht er beim ersten Trompetenstoß.

Du mein süßer Herr,
damit ich nicht besiegt werde,
hast du alle Schmerzen ertragen
und bist im offenen Feld tot geblieben.


Ich aber ertrage nicht das Feuer
für dich noch Schläge,
sondern fürchte ein kleines Spiel
Von Kindern, die mich verspotten wollen.

O welch tiefer Schmerz,
den Schild, den ich weggeworfen habe,

möchte ich heute gerne wieder aufnehmen,
wieder aufnehmen und nie mehr von mir tun.


Introitus
Requiem æternam dona eis, Domine,
et lux perpetua luceat eis.
Te decet hymnus Deus in Sion:
et tibi reddetur votum in Jerusalem,
exaudi orationem meam,
ad te omnis caro veniet.

Herr, gib ihnen die ewige Ruhe,
und das ewige Licht leuchte ihnen.
Dir gebührt Lob, Herr, auf dem Zion,
Dir erfüllt man Gelübde in Jerusalem.
Erhöre mein Gebet;
zu Dir kommt alles Fleisch.




Bacco, Bacco eoue
Das ist der ganze Text 🙂

Damigella tutta bella,
versa, versa quel bel vino
fa′ che cada la rugiada
distillata di rubino.

Ho nel seno rio veneno
che vi sparse Amor profondo;
ma gittarlo e lasciarlo
vo’ sommerso in questo fondo.

Damigella tutta bella
di quel vin tu non mi sazi
fa’ che cada la rugiada
distillata da’ topazi.

Ah, che spento io non sento
il furor degl′ardor miei .
Men cocenti, meno ardenti
sono, oimè, gli incendi Etnei.

Nova fiamma più m’infiamma,
arde il cor foco novello:
Se mia vita non s’aita,
ah ch’io vengo un Mongibello!

Ma più fresca ogn’hor cresca
dentro me si fatt’ arsura,
consumarmi e disfarmi
per tal modo ho per ventura.

Jungfer, schöne,
schenk den schönen Wein ein,
lass den Tau niederfallen,
aus Rubin gekeltert.

Ich habe in der Brust ein böses Gift,
das mir Amor tief eingeflößt hat.
Doch wegwerfen und davon lassen,
will ich es in dieser Neige.

Jungfer, schöne,
du sättigst mich nicht mit diesem Wein,
lass den Tau niederfallen,
aus Topasen gekeltert.

Ach, ich fühle nicht, dass das Wüten
meiner Glut gelöscht ist.
Weniger kochend, weniger glühend
sind, ach, die Feuer des Ätna.

Eine neue Flamme
entzündet mich noch mehr,
das Herz entbrennt in neuem Feuer:
Wenn mein Leben sich nicht selbst hilft,
ach, dann werde ich zum Vulkan!

Ja, noch frischer möge in mir
stets eine solche Glut wachsen,
mich zu verzehren und zu vernichten,
auf diese Weise, ist mein Los.

Qual di nova bellezza,
chiaro raggio risplende,
che di fiamme, e di lampi
in questi humidi campi!
Hoggi ogni numm’accende,
et hor ch’altrove il Sol volge la luce,
un novo Sol m’adduce.

Was für eine neue Schönheit,
welch klarer Strahl leuchtet auf,
welche Flammen, und welche Blitze
in diesen wassergefüllten Gegenden!
Heute entbrennt jede Gottheit,
und nun, da der Sonnengott sein Licht abwendet, Leitet mich ein neuer Sonnengott.

Delle Ninfe terrene
la beltà non m’offenda.
Figlie del Ocean, dolci Sirene,
fors’il tratto del ciel che noi disgionge la forma lusinghiera
vaga piu che non è mostra da longe.
Ma perche meglio attenda
Se sia falsa ò sia vera?
Vada di Proteo ad ispiar la schiera.

Texte Wassermusik

Der irdischen Nymphen
Schönheit rührt mich nicht an.
Töchter des Ozeans, süße Sirenen,
die Entfernung vom Himmel, die uns trennt,

verfälscht vielleicht die Erscheinung,
macht sie unsicherer, nicht aus der Distanz gesehen.

Doch warum besser warten,
ob sie falsch ist oder wahr?
Geh, Proteus, und inspiziere die Truppen.

Il bianco e dolce cigno
cantando more, ed io
piangendo giung’ al fin del viver mio.
Stran’ e diversa sorte,
ch’ei more sconsolato
ed io moro beato.
Morte che nel morire
m’empie di gioia tutto e di desire.
Se nel morir, altro dolor non sento,
di mille mort’ il di sarei contento.

Der weiße und süße Schwan
stirbt singend, und ich
gelange weinend ans Ende meines Lebens.
Seltsames und verschiedenes Schicksal,
dass er ohne Trost stirbt,
und ich sterbe glücklich.
Einen Tod, der im Sterben
mich ganz erfüllt mit Freude und Begehren.
Wenn ich sterbend keinen anderen Schmerz fühlte,
wäre ich zufrieden, tausend Tode täglich zu sterben.



Ecco, Signor il Tebro, ecco.
Ecch’il Tebro signore ad honorarvi
Cosmo e Leonora se la mia nobil figlia
A quanto gir’il sol con la sua sphera
Pos’il fren’et la briglia questa
Che di lei nacque per voi spera
Non me di lei di ricchie spoglie
Ornase et superb’ et’ altera
Sovra l’altr’ inalzarse
Ond’al pari del Tebro et Rom’ anchora
N’andra la fam’ al ciel d’Arn’ et di Flora.

Texte Wassermusik

„Seht, Herr, der Tiber, seht,
seht den Tiber, Herrin,
zu ehren Cosmo und Leonora.“
„Wenn meine vornehme Tochter [Rom],
soweit die Sonne umläuft mit ihrer Sphäre,
Zaum und Zügel auferlegt:
Diese Herrin, die von ihr herstammt, hofft, sich durch dich nicht weniger wie sie mit reicher Beute zu schmücken
und herrlich und voll Würde sich über andere zu erheben: So dass, ebenso wie bisher der Ruhm des Tibers und Roms, der des Arno und der Flora zum Himmel emporsteigt.“

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