Live-Konzert-Mitschnitt vom 16.09.2020 aus der Berliner Philharmonie

Der RIAS Kammerchor Berlin und Justin Doyle kehrten am 16. September 2020 endlich auf die Konzertbühne zurück. Im Rahmen des Musikfests Berlin präsentierten die Künstlerinnen und Künstler in der Berliner Philharmonie das neu gestaltete Programm Chorrenaissance (wie ein Phönix…).

Der Chefdirigent und Künstlerische Leiter Justin Doyle ging gemeinsam mit dem RIAS Kammerchor Berlin und dem Organisten Martin Baker zurück zu den Wurzeln der Chormusik. Nach dem kulturellen Aus Mitte März durch die Covid-19-Pandemie erweckte Doyle mit den Sängerinnen und Sängern die Musik mit dem neu gestalteten Programm Chorrenaissance (wie ein Phönix…) zu neuem Leben. Ausgehend von einer einstimmigen Melodie der Mystikerin Hildegard von Bingen bewegten sie sich von den ersten mehrstimmigen Werken der Frührenaissance bis zur 16-stimmigen Blüte der polyphonen Form durch die Jahrhunderte. Zu hören waren Werke von Johann Bach, Giles Binchois, Hildegard von Bingen, William Byrd, Antonio Caldara, Carlo Gesualdo da Venosa, Orlando di Lasso, Giovanni Pierluigi Palestrina, John Sheppard und Tomás Luís de Victoria.

Von Martin Baker wurde das vom Mittelalter bis zum Frühbarock reichende Programm zwischen den elf Stücken mit Improvisationen an der Orgel kontrastiert. Nach mehreren Jahren als Organist an der Westminster Abbey in London wurde Baker im Jahr 2000 zum Master of Music der Westminster Cathedral ernannt, wo er seitdem auch den Westminster Cathedral Choir leitet. Als Organist ist er weltweit gefragt. 2018 gab er mehrere Konzerte in den Vereinigten Staaten. Seit 2017 ist er Präsident des Royal College of Organists. Als Dirigent spielte er im selben Jahr gemeinsam mit seinem Chor John Sheppards liturgisches Werk Media vita ein.

Nach fünf Monaten Zwangspause und massiven Einschränkungen proben der RIAS Kammerchor Berlin und Justin Doyle seit Mitte August wieder gemeinsam in einem Raum. Um die Hygieneverordnung des Berliner Senats umzusetzen, musste der Chor für die Proben in die Emmauskirche in Berlin-Kreuzberg ausweichen. Mit streng eingehaltenem zwei Meter Abstand und mit stündlichen Lüftungspausen von 30 Minuten hat sich der RIAS Kammerchor selbst aus der Asche erhoben, in die geworfen er sich im März sah, als die Uraufführung von Jüri Reinveres Die Vertreibung des Ismael nur wenige Tage vorher wegen der Covid-19-Maßnahmen abgesagt werden musste. Um mit dem ursprünglich vorgesehenen Programmtitel des Musikfest-Gastspiels zu sprechen: aus Chaos wird Ordnung.

Ordensfrau, Klostergründerin, Äbtissin, Mystikerin, Schriftstellerin, Komponistin, Heilige, Kirchenlehrerin – Hildegard von Bingen war eine Universalgelehrte. Die von ihr überlieferten Gesänge faszinieren noch heute – knapp 900 Jahre nach ihrer Entstehung – in ihrer Emotionalität und Ausdruckskraft. 

Hildegard von Bingen war die herausragende Vertreterin der einstimmigen Musik im hohen Mittelalter. Geboren 1098 in Bermersheim bei Alzey (Rheinhessen) trat sie im Alter von 14 Jahren in das Benediktinerinnen-Kloster auf dem Disibodenberg ein. Dort erhielt sie eine profunde theologische Ausbildung und wurde 1136 zur Äbtissin gewählt. Auch in den beiden von ihr später gegründeten Klöstern, auf dem Ruppertsberg bei Bingen sowie in Eibingen bei Rüdesheim, hatte Hildegard dieses höchste monastische Amt inne. Bereits als junge Ordensfrau nahm Hildegard göttliche Visionen wahr und begann mit der Aufzeichnung dieser Eingebungen. Von Papst Eugen, der 1147 die Authentizität der Visionen bestätigte, wurde sie in ihrem Handeln ausdrücklich bestärkt. Auf diese Weise entstanden mehrere Schriften, die in ihrer mystischen Tiefe und farbigen Poesie unübertroffen sind. 

Die Musik war für Hildegard von Bingen ein hervorgehobenes Mittel zum Lob Gottes, das den direkten Zusammenhang zwischen irdischer (musica humana) und himmlischer (musica coelestis) Musik herstellen kann. Viele der von ihr gedichteten Texte hat Hildegard selbst vertont, insgesamt sind heute knapp 100 Antiphonen, Responsorien, Hymnen und Sequenzen, allesamt für den liturgischen Gebrauch, von ihr überliefert. In den einstimmigen Gesängen Hildegards ist im Gegensatz zum Gregorianischen Choral ein individueller Stil zu spüren, der sich vor allem in einer gesteigerten Emotionalität äußert. Die Antiphon „O virtus sapientiae“ könnte als generelles Leitbild über dem Leben der Hildegard stehen: Es ist ein Loblied auf die „Kraft der Weisheit“. 

Links:

Diskographie: http://www.medieval.org/emfaq/composers/hildegard.html

Abtei St. Hildegard Rüdesheim: https://www.abtei-st-hildegard.de/

O virtus sapientiae,
quae circuiens circuisti
comprehendendo omnia
in una via, quae habet vitam,
tres alas habens,
quarum una in altum volat,
et altera de terra sudat,
et tertia undique volat.
Laus tibi sit, sicut te decet, o sapientia.

O Kraft der Weisheit,
umkreisend die Bahn,
die eine des Lebens,
ziehst um das All du die Kreise,
alles umfangend.
Drei Flügel hast du:
In die Höhe empor schwingt der eine,
auf der Erde müht sich der zweite,
und allüberall schwingt der dritte.
Lob sei dir, Weisheit, würdig des Lobes.

„Ein Fürst tut, was ihm gefällt, aber er ist deswegen nicht vollkommen.“ – Mit solch markigen Sprüchen konfrontierte der Münchner Hofkapellmeister Orlando di Lasso immer wieder gern seinen Arbeitgeber, den bayerischen Herzog. Er konnte es sich leisten: Lasso war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einer der bekanntesten europäischen Musiker, dessen Werke nicht nur die Kathedralchöre, sondern auch viele kleine Kantoreien im Repertoire hatten. Die Kunst des mehrstimmigen Gesangs beherrschte er wie kaum ein anderer. Das zeigt sich nicht nur in groß besetzten Werken, sondern auch in der nur zweistimmigen Motette „Fulgebunt justi“. 

Er war einer der populärsten und angesehensten Musiker des 16. Jahrhunderts: Orlando di Lasso. Mit seinem kompositorischen Stil prägte er eine ganze Generation und bewegte sich souverän nicht nur auf musikalischem, sondern auch auf diplomatischem Gebiet. Als er 1594 starb, gab es vermutlichen keinen europäischen Musiker von Rang, der nicht ein Lasso-Werk im Repertoire hatte. 

Der Grundstein zu dieser außergewöhnlichen Musiker-Laufbahn wurde im Hennegau gelegt, wo Orlando di Lasso in jungen Jahren als Sängerknabe an der Kirche St. Nicolas seiner Heimatstadt Mons wirkte. Hier erlernte er das musikalische Handwerk und machte mit seiner schönen Stimme auf sich aufmerksam. Ferrante Gonzaga, der Vizekönig von Sizilien, entdeckte auf der Durchfahrt durch die Niederlande den musikalischen Knaben und nahm ihn in sein Gefolge auf, mit dem der junge Orlando in den folgenden Jahren weite Teile Frankreichs und Italiens bereiste. Weitere Stationen seiner jungen Laufbahn waren Neapel und Rom, bevor er 1556 vom bayerischen Herzog Albrecht V. als Hofmusiker angestellt wurde. Zunächst als Tenorist beschäftigt, übernahm er in München schon bald die Kapellmeisterposition und übte dieses Amt nahezu 40 Jahre lang bis zu seinem Tod aus. Die Vermittlung zum Münchner Hof verdankte Lasso offensichtlich seinen guten Beziehungen zur einflussreichen Bankiersfamilie Fugger. Sein Dienst als Kapellmeister bestand in der musikalischen Leitung des täglichen Gottesdienstes, der herzoglichen Tafelmusik sowie besonderen Darbietungen bei familiären Festen des Herzogs und Empfängen auswärtiger Gäste. 

Während des ersten Jahrzehnts seines Münchner Wirkens stieg das Ansehen Lassos, der sich schon bald „prince des musiciens“ nennen durfte, kontinuierlich. Mit Hilfe der großzügigen Unterstützung seines Dienstherrn gelang es ihm, die Hofkapelle personell beträchtlich zu verstärken. Zwischen 1562 und 1577 erschienen zudem jährlich meist mehrere Bände mit neuen Kompositionen des Kapellmeisters im Druck. Im sozialen Gefüge des Hofes hatte Lasso eine für einen Künstler jener Zeit ungewöhnlich hohe Stellung erreicht, die ihm große Freiheiten gewährte. 

Unter den hunderten geistlichen Motetten von Lasso finden sich nicht nur üppige, groß besetzte Werke. Auch im Kleinen vermochte es der Kapellmeister, sehr raffinierte kontrapunktische Strukturen zu schaffen. Die Motette „Fulgebunt justi“ erschien erstmals 1577 und ist in einem dichten zweistimmigen Satz (Tenor und Bass) aufgebaut. 

Links:

Projekt Gesamtausgabe Orlando di Lasso: http://www.lasso.badw.de/das-projekt.html

Noten: https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/5/58/IMSLP292607-PMLP244222-11-fulgebunt_justi_sicut_lilium—0-score.pdf

Sendung DLF über Lasso: https://www.deutschlandfunkkultur.de/orlande-di-lasso-musiker-der-renaissance-der.3888.de.html?dram:article_id=465032

Fulgebunt justi sicut lilium
et sicut rosae in Jericho
florebunt ante Dominum.

Die Gerechten werden strahlen wie eine Lilie
und wie die Rosen in Jericho
werden sie blühen vor dem Herrn.

Noten: https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/5/58/IMSLP292607-PMLP244222-11-fulgebunt_justi_sicut_lilium—0-score.pdf

Am prunkvollen Hof des Herzogs von Burgund war im frühen 15. Jahrhundert der Platz des Musikers Gilles Binchois. Hier sorgte er mit ernster Kirchenmusik und amourösen Chansons für Unterhaltung und Repräsentation. Am Pfingstsonntag konnte man damals zu Beginn des Festgottesdienstes seine Version des Hymnus „Veni creator spiritus“ hören. 

Gilles Binchois war neben Guillaume Dufay einer der herausragenden Komponisten in der beginnenden Renaissanceepoche, also in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Wie ein Jahrhundert später Orlando di Lasso wuchs auch er in der Stadt Mons auf. Der dortige Hof besaß einen aktiven Musikbetrieb sowie konnte Kontakte zu größeren Residenzen herstellen. Auf diese Weise gelangte Binchois um 1430 an den burgundischen Hof, der in dieser Zeit von Herzog Philipp dem Guten geführt wurde. Im Gefolge dieses Regenten stieg er bald zum einflussreichsten Hofmusiker auf, komponierte zahlreiche geistliche und weltliche Werke und unternahm ausgedehnte Reisen. Möglicherweise war Binchois auch der Verfasser des populären Liedes „L’homme armè“. 

Zum überlieferten Werk von Binchois zählen Messsätze, Motetten sowie Chansons, die durch zahlreiche Abschriften auch in weiten Teilen Frankreichs und Englands bekannt wurden. Von großer stilistischer Eleganz ist seine dreistimmige Vertonung des Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“. Als Autor dieses Textes gilt der Mainzer Erzbischof Rabanus Maurus (um 780–856), möglicherweise entstand die Dichtung im unmittelbaren Umfeld des Konzils von Aachen (809). Die sieben Verse des Hymnus wenden sich direkt an den Heiligen Geist und werden traditionell nicht nur zum Pfingstfest, sondern auch bei Priesterweihen und Papstwahlen gesungen. Der eigentliche Hymnus findet sich bei Binchois leicht ausgeziert in der Oberstimme, die beiden anderen Stimmen folgen dieser Melodie homophon im akkordischen Satz nach der sogenannten „Fauxbordon-Praxis“.

Links:

Überblick: https://de.wikipedia.org/wiki/Gilles_Binchois

Noten: http://www1.cpdl.org/wiki/images/b/b4/Br-578.pdf

Veni, creator Spiritus,
mentes tuorum visita:
imple superna gratia,
quae tu creasti pectora.

Qui diceris Paraclitus,
donum Dei altissimi,
fons vivus, ignis, caritas
et spiritalis unctio.

Tu septiformis munere,
dextrae Dei tu digitus,
tu rite promissum Patris
sermone ditans guttura.

Accende lumen sensibus,
infunde amorem cordibus,
infirma nostri corporis
virtute firmans perpeti.

Hostem repellas longius
pacemque dones protinus;
ductore sic te praevio
vitemus omne noxium.

Per te sciamus da Patrem
noscamus atque Filium,
te utriusque Spiritum
credamus omni tempore.

Deo Patri sit gloria
et Filio, qui a mortuis
surrexit, ac Paraclito,
in saeculorum saecula.

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Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein,
besuch das Herz der Kinder dein:
Die deine Macht erschaffen hat,
erfülle nun mit deiner Gnad.

Der du der Tröster wirst genannt,
vom höchsten Gott ein Gnadenpfand,
du Lebensbrunn, Licht, Lieb und Glut,
der Seele Salbung, höchstes Gut.

O Schatz, der siebenfältig ziert,
o Finger Gottes, der uns führt,
Geschenk, vom Vater zugesagt,
du, der die Zungen reden macht.

Zünd an in uns des Lichtes Schein,
gieß Liebe in die Herzen ein,
stärk unsres Leibs Gebrechlichkeit
mit deiner Kraft zu jeder Zeit.

Treib weit von uns des Feinds Gewalt,
in deinem Frieden uns erhalt,
dass wir, geführt von deinem Licht,
in Sünd und Elend fallen nicht.

Gib, dass durch dich den Vater wir
und auch den Sohn erkennen hier
und dass als Geist von beiden dich
wir allzeit glauben festiglich.

Dem Vater Lob im höchsten Thron
und seinem auferstandnen Sohn,
dem Tröster auch sei Lob geweiht
jetzt und in alle Ewigkeit.

Noten: http://www1.cpdl.org/wiki/images/b/b4/Br-578.pdf

William Byrd – ein komponierender Superstar im elisabethanischen London, allseits anerkannt wegen seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten und einer der „Gentleman of the Chapel Royal“. Seine Messe zu vier Stimmen jedoch ist ein Werk aus dem Untergrund. Er – der bekennende Katholik im anglikanischen England – komponierte das Stück für geheime Aufführungen im Haus eines befreundeten Adligen.

Die „offizielle“ Biographie von William Byrd liest sich makellos und fabelhaft: Byrd stammt aus einer kleinen Ortschaft nordöstlich von London und wuchs hier in einer katholischen Familie auf. Etwa 1550 gelangte er nach London und wurde aufgrund seiner immensen musikalischen Begabung als Knabensänger in die Chapel Royal aufgenommen. Hier war Thomas Tallis sein wichtigster Lehrer, der ihm jahrzehntelang als enger Vertrauter erhalten bleiben sollte. Prägende Erlebnisse sammelte der junge William während der Regentschaft Marias der Katholischen, die den römischen Ritus wiedereinführte. 

Nach Beendigung seiner Chorknabenzeit erhielt Byrd 1563 eine Stelle als Organist und Chorleiter an der Kathedrale von Lincoln. Dort blieb er bis 1570 und kehrte dann als „Gentleman of the Chapel Royal“ nach London zurück. Hier arbeitete Byrd nun eng an der Seite von Thomas Tallis und erhielt 1575 gemeinsam mit seinem Lehrer aus der Hand Elisabeths I. ein Privileg, das beiden Komponisten über den Zeitraum von 21 Jahren das Recht zusicherte, Musikdrucke eigener Wahl zu veröffentlichen. Damit waren die kompositorischen Leistungen von Byrd und Tallis durch die allerhöchste politische Autorität anerkannt, und das trotz des katholischen Bekenntnisses von Byrd. 

Die Kehrseite dieser Bilderbuch-Karriere findet sich aber im Detail: Nach rund zwei Jahrzehnten des Dienstes in der königlichen Kapelle zog sich William Byrd nämlich 1593 aus London zurück und siedelte in seine Heimatregion Stondon Massey (Essex) über, wo er die Pacht eines Anwesens mit Landwirtschaft und Waldland erhalten hatte. Der Hauptgrund für diese Entscheidung lag in den permanent anhaltenden Anfeindungen, die Byrd als bekennender Katholik im anglikanischen Umfeld des Hofes erfahren hatte. Auch in Stondon Massey wurde er von Spähern der Regierung überwacht; aufgrund seines hohen Renommees in der breiten Bevölkerung beschränkten sich die Repressalien hier jedoch auf das Verhängen von Strafgeldern wegen der Verweigerung des Besuches anglikanischer Gottesdienste. 

Nur wenige Meilen von Byrds Alterssitz entfernt, in Ingatestone, residierte die adlige Familie von Sir John Petre, die sich ebenfalls zur katholischen Konfession bekannte und bereits über Jahre eng mit Byrd befreundet war. Hinter verschlossenen Türen fanden im Schloss der Petres regelmäßig katholische Gottesdienste statt, für die meist Jesuiten aus dem Ausland eingeschleust wurden. Für diese geheimen Gottesdienste komponierte William Byrd exklusiv lateinische Kirchenmusik, darunter seine drei Messvertonungen. Unmittelbar danach, vermutlich um 1595, wagte es Byrd, diese Messkompositionen auf der Basis seines Druckprivilegs auch zu veröffentlichen, allerdings verzichtete er auf ein Titelblatt, eine Widmung und die Angabe des Verlags. Lediglich seinen Namen ließ er trotzig auf jeder Notenseite verzeichnen. 

In der vierstimmigen Messe sind Byrds enorme Fähigkeiten eines eleganten, kontrapunktisch ausgefeilten Satzes sehr gut zu erkennnen. Die einzelnen Messsätze beginnen jeweils mit der Imitation einzelner Stimmen und fügen sich dann zum Tutti zusammen. 

Links:

Überblick (englisch): https://en.wikipedia.org/wiki/William_Byrd

Noten: http://www1.cpdl.org/wiki/images/d/da/285.pdf

Sanctus, Sanctus, Sanctus
Dominus, Deus Sabaoth.
Pleni sunt caeli et terra
gloria tua.
Hosanna in excelsis.
Benedictus qui venit 
in nomine Donini.
Hosanna in excelsis.

Heilig, heilig, heilig
ist der Herr, Gott der Scharen.
Erfüllt sind Himmel und Erde
von deiner Herrlichkeit.
Hosanna in der Höhe.
Hochgelobt sei, der da kommt
im Namen des Herrn.
Hosanna in der Höhe.

Noten: http://www1.cpdl.org/wiki/images/d/da/285.pdf

Palestrina war der „König” der römischen Kirchenmusik. Ende des 16. Jahrhunderts hatte er hier gleich mehrere bedeutende Ämter inne, war bis in höchste Klerikerkreise hoch angesehen und veröffentlichte massenhaft geistliche Musik. Seine Popularität hielt selten lang an – nämlich ungebrochen bis heute.

Giovanni Pierluigi da Palestrina wird häufig als genialer Vollender des vokalpolyphonen Stils der Renaissance angesehen. In der Tat führte er die kunstvolle Kontrapunktik, der sich seit 1450 so berühmte Komponisten wie Gilles Binchois, Josquin des Préz oder Orlando di Lasso gewidmet hatten, zu einem letzten großen Höhepunkt, bevor sich ab etwa 1600 mit Sologesang, Generalbass und obligaten Instrumentalsätzen gänzlich neue musikalische Prinzipien durchsetzten. 

Bereits zu Lebzeiten besaß Palestrina die unangefochtene Autorität unter den römischen Kapellmeistern. Er leitete nacheinander drei der bedeutendsten Sängerchöre der Stadt, die Kapellen von San Giovanni in Laterano, Santa Maria Maggiore und San Pietro, und war exklusiver Komponist für die Päpstliche Kapelle. Sein enger Kontakt zu führenden römischen Herrscherfamilien ermöglichte ihm überdies die gedruckte Veröffentlichung zahlreicher geistlicher und weltlicher Kompositionen. 

Kirchenvertreter und Kapellmeister der folgenden Jahrhunderte sahen den Kompositionsstil Palestrinas immer wieder als Ideal der „reinen“ gottesdienstlichen Musik an. Daher wurden seine Messen und Motetten – im Gegensatz zu den meisten anderen Kompositionen seiner Epoche – bis in die Gegenwart durchgehend tradiert.

Mehr als 100 Messen gehören zum Gesamtwerk Palestrinas, darunter auch die erstmals 1570 veröffentlichte „Missa brevis”. Grundsätzlich ist dieses Stück vierstimmig angelegt, im abschließenden Satz Agnus Dei jedoch erweitert Palestrina die Besetzung auf fünf Stimmen, um auf die Worte „dona nobis pacem” auch ein musikalisch angemessenes Finale zu schaffen. 

Links:

Werkbetrachtung (englisch): https://en.wikipedia.org/wiki/Missa_Brevis_(Palestrina)

Noten: http://www2.cpdl.org/wiki/images/f/fb/Missa_brevis.pdf

Agnus Dei, qui tollis
peccata mundi: 
miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis 
peccata mundi: 
miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis 
peccata mundi: 
dona nobis pacem.

Lamm Gottes, du nimmst hinweg
die Sünden der Welt:
erbarme dich unser.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg
die Sünden der Welt:
erbarme dich unser.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg
die Sünden der Welt:
gib uns den Frieden.

Noten: http://www2.cpdl.org/wiki/images/f/fb/Missa_brevis.pdf

Als exzentrischer Fürst, musikalischer Autodidakt und Doppelmörder ist Carlo Gesualdo da Venosa in die Geschichte eingegangen. Sein kompositorisches Werk, das weitgehend auf Vokalmusik beschränkt ist, entzieht sich jeglicher Vergleichsmöglichkeit zu anderen Werken der Zeit um 1600. Bis an die äußersten Grenzen reizte Gesualdo die bestehenden Satzregeln aus und bediente sich einer expressiven Harmonik. Als regierender Fürst von Venosa komponierte er niemals für einen Dienstherrn oder eine Institution, sondern ausschließlich für sich selbst.

Berühmt und berüchtigt wurde Don Carlo Gesualdo, der Graf von Consa und Fürst von Venosa weniger durch die Musik als durch eine Straftat: In flagranti soll er seine Ehefrau samt Liebhaber ertappt und beide ermordert haben. Im anschließenden Prozess blieb er straffrei, möglicherweise nutzte ihm dabei sein adliger Status. Gesualdo verschloss sich danach umso mehr in seiner Residenz und gab sich – recht unüblich für seinen Stand – den Künsten hin. Dabei schuf er, wohlgemerkt musikalischer Autodidakt, Kompositionen in einem ebenso einzigartigen wie anachronistischen Stil. Während sich die musikalische Welt in der Zeit um 1600 mitten im Epochenwandel befand, hielt sich der Fürst von Venosa noch an den alten, polyphonen Stil, lotete dessen Regeln allerdings bis an die äußersten Grenzen aus. Wie besonders gut an seinen 1611 publizierten Responsorien für die Karwoche erkennbar ist, kam er damit hinsichtlich Expressivität, Wortausdeutung und Affektenreichtum den Prinzipien des neuen, barocken Stils sehr nahe. Eine außergewöhnliche Harmonik, überraschende Tonarten- und Modiwechsel sowie die feinste Beachtung der poetischen Vorlage führen zu einem unverwechselbaren Ausdruck. Wenn im Responsorium „Tristis est anima mea” der Text „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod” gesungen wird, erhält das durch die geradezu erschütternde Vertonung Gesualdos eine tiefe Glaubwürdigkeit. 

Links:

Sendung DLF über Gesualdo: https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-komponist-carlo-gesualdo-anarchia-cromatica-komponist.3888.de.html?dram:article_id=482586

Noten: https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/0/04/IMSLP268116-PMLP434333-Tristis_est_anima_mea.pdf

Tristis est anima mea usque ad mortem:
sustinete hic et vigilate mecum.
Nunc videbitis turbam quae circumdabit me.
Vos fugam capietis, et ego vadam immolari pro vobis.

Ecce appropinquat hora, et Filius hominis
tradetur in manus peccatorum.

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Meine Seele ist betrübt bis an den Tod:
bleibet hier und wachet mit mir.
Nun werdet ihr die Menge sehen, die mich umgeben wird.
Ihr werdet die Flucht ergreifen, und ich werde gehen,
um für euch geopfert zu werden.

Siehe, es naht die Stunde, und des Menschen Sohn
wird übergeben werden in die Hände der Sünder.

Noten: https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/0/04/IMSLP268116-PMLP434333-Tristis_est_anima_mea.pdf

Ganz ehrlich: Viel konkretes über das Leben von John Sheppard wissen wir nicht. Offenbar war er Mitte des 16. Jahrhunderts einer der „Gentleman of the Chapel Royal” in London und gehörte zum höfischen Gefolge der englischen Könige. Zum Glück gibt es deutlich mehr erhaltene Kompositionen als Dokumente über sein Leben. So kann man in die wunderbare Klangwelt seiner geistlichen Motetten eintauchen. 

Viel mehr als die ungefähren Lebensdaten und ein paar biographische Schlaglichter sind über den englischen Komponisten John Sheppard nicht überliefert. Nachweisbar ist er in den 1540er Jahren am Magdalen College in Oxford, wo er offenbar als Sänger und Komponist tätig wurde. Später gelangte er in den erlauchten Kreis der Gentleman of the Chapel Royal, also jener Sänger, die unmittelbar für die königliche Familie musizierten. Erhalten geblieben sind von Sheppard einige Messen und vor allem geistliche Motetten in unterschiedlicher Besetzung. 

Die siebenstimmige Motette „Libera nos” wendet sich an die Heiligste Dreifaltigkeit, es ist anzunehmen, dass sie am Trinitatis-Fest oder zu einem anderen hohen Kirchenfest erklungen ist. Die sieben Stimmen sind hierbei nicht in zwei Teilchöre aufgeteilt, sondern agieren als Einheit in einem dichten kontrapunktischen Geflecht.

Links:

Noten: http://www1.cpdl.org/wiki/images/1/13/Shep-lib.pdf

Libera nos, salva nos, justifica nos, O beata Trinitas.

Befreie uns, rette uns, verhilf uns zum Recht, o heilige Dreifaltigkeit.

Noten: http://www1.cpdl.org/wiki/images/1/13/Shep-lib.pdf

Die Renaissance-Kulturen von Spanien und Italien vereinen sich perfekt in der künstlerischen Laufbahn von Tomás Luis de Victoria. Aufgewachsen in Spanien, gelangte er als junger Mann nach Rom und absolvierte dort seine musikalische Karriere, bevor er als hochanerkannte Autorität in die Heimat zurückkehrte. 

„Spanischer Palestrina“ – mit diesem ehrenvollen Titel wird häufig der spanische Komponist und Kapellmeister Tomás Luis de Victoria bezeichnet. Und tatsächlich ist seine Laufbahn eng mit dem berühmten römischen Kapellmeister Palestrina verbunden. Nach seiner Jugendzeit in der spanischen Stadt Avila, während der er intensiven Musikunterricht unter anderem bei Antonio de Cabezón erhalten hatte, zog Victoria 1565 – im Alter von 17 Jahren – nach Rom und wurde dort in das Collegium Germanicum aufgenommen. Dieser jesuitischen Institution blieb er mehr als 20 Jahre lang eng verbunden, zunächst als Student, danach als Chorallehrer und schließlich als Kapellmeister. Gleichzeitig entwickelte sich Victoria schnell zu einem der führenden Musiker Roms. Er leitete einige Jahre lang die Musik in der Nationalkirche der Aragonesen, wirkte als Privatmusiker des Kardinals Truchseß von Waldburg und trat überdies als Sänger in zahlreichen weiteren Kirchenkapellen der Stadt auf. Obwohl er mit den Jahren zum „richtigen“ Römer geworden war, kehrte er 1587 in seine spanische Heimat zurück und erhielt den Kapellmeisterposten an einem Kloster in Madrid, in dem sich die Kaiserinwitwe Maria – die Frau von Maximilian II. und Tochter von Karl V. – zurückgezogen hatte. Diese Anstellung darf als eine besondere Ehrenbezeugung gegenüber dem Komponisten gelten. Noch etliche Male reiste er in den folgenden Jahren nach Rom, so auch 1594, um seinem Kapellmeisterkollegen Palestrina die letzte Ehre zu erweisen. Die achtstimmige Motette „Ave Maria“ wurde erstmals 1572 in Rom veröffentlicht. Blockhaft stellt Victoria in diesem Stück zwei vierstimmige Chöre einander gegenüber und vereint sie schließlich zu einer großartigen Klangpracht.

Links:

Plattform mit Links zu Noten und Informationen: https://www.uma.es/victoria/english.html

Noten: http://www2.cpdl.org/wiki/images/9/94/62-ave_maria_gratia_plena—0-score.pdf

Ave Maria, gratia plena,
Dominus tecum,
benedicta tu in mulieribus,
et benedictus fructus ventris tui, Jesus.
Sancta Maria, regina coeli,
dulcis et pia, o mater Dei,
ora pro nobis peccatoribus,
ut cum electis te videamus.
Amen.

Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir,
du bist gesegnet unter den Frauen, 
und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus.
Heilige Maria, Königin des Himmels,
süß und gütig, o Mutter Gottes, 
bitte für uns Sünder, 
dass wir mit den Auserwählten dich sehen.
Amen.

Noten: http://www2.cpdl.org/wiki/images/9/94/62-ave_maria_gratia_plena—0-score.pdf

„Johann” heißen sie fast alle, die musikalischen „Bache” im 17. und 18. Jahrhundert. Da kann man mit der Zuschreibung schon mal durcheinander kommen. Ob aber nun Johann Bach oder Johann Michael Bach die Begräbnismotette „Unser Leben ist ein Schatten” komponiert hat, ist eher zweitrangig. Es handelt sich um ein zutiefst eindrucksvolles und verinnerlichtes Stück zu neun Stimmen. 

Johann Bach wuchs in der Kleinstadt Wechmar bei Gotha auf, wo sich sein Großvater Veit Bach, der häufig als der „Stammvater“ der weit verzweigten Bach-Familie bezeichnet wird, Mitte des 16. Jahrhunderts niedergelassen hatte. Nach einer Ausbildung bei Johann Christoph Hoffmann in Suhl ging Johann Bach zunächst als Stadtmusikus und Organist ins fränkische Schweinfurt, kehrte aber 1635 nach Thüringen zurück und wurde im Jahr darauf als Organist an der Erfurter Predigerkirche angestellt. Einige wenige Motetten werden mit Johann Bach in Verbindung gebracht, die Zuschreibung ist jedoch aufgrund der vielen komponierenden Familienmitglieder nur mit Vorbehalt möglich. Zu diesem kleinen Werkbestand zählt auch die neunstimmige Begräbnismotette „Unser Leben ist ein Schatten“, die sich im Alt-Bachischen Archiv, einer handschriftlich überlieferten Sammlung von Kompositionen Bachscher Familienmitglieder aus den Generationen vor Johann Sebastian Bach, erhalten hat. Jüngere Forschungen vermuten allerdings als Autor dieser Komposition den Gehrener Kapellmeister Johann Michael Bach.

Links:

Überblick Altbachisches Archiv: https://de.wikipedia.org/wiki/Altbachisches_Archiv

Noten: http://www3.cpdl.org/wiki/images/8/83/JohannBach_UnserLeben.pdf

Unser Leben ist ein Schatten auf Erden.

Ich weiß wohl, dass unser Leben oft nur als ein Nebel ist,
den wir hier zu jeder Frist mit dem Tode sind umgeben,
drum ob’s heute nicht geschicht, meinen Jesum lass ich nicht.

Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich gläubet,
der wird leben ob er gleich stürbe,
und wer da lebet und gläubet an mich,
der wird nimmermehr sterben.
Weil du vom Tod erstanden bist
werd ich im Grab nicht bleiben,
mein höchster Trost dein Auffahrt ist,
Todsfurcht kann sie vertreiben,
denn wo du bist, da komm ich hin,
dass ich stets bei dir leb’ und bin,
drum fahr ich hin mit Freuden.

Sterb ich bald, so komm ich aber von der Welt Beschwerlichkeit,
ruhe bis zur vollen Freud und weiss, dass im finstern Grabe
Jesus ist mein helles Licht, meinen Jesum lass ich nicht.

Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben!
Wie ein Nebel bald entstehet, und bald wiederum vergehet,
so ist unser Leben, sehet! Ach wie nichtig,
ach wie flüchtig sind der Menschen Sachen!
Alles, alles was wir sehen, das muss fallen und vergehen,
wer Gott fürcht’, bleibt ewig stehen.
Ach Herr, lehr uns bedenken wohl,
dass wir sind sterblich allzumal,
dass wir sind sterblich allzumal!
Auch wir allhier keins Bleibens han,
müssen alle davon, gelehrt, alt oder schön,
dass wir sind sterblich, sterblich allzumal!

Noten: http://www3.cpdl.org/wiki/images/8/83/JohannBach_UnserLeben.pdf

Er galt als der Lieblingskomponist des römisch-deutschen Kaisers Karls VI. Kein Wunder, diesem Luxus und Pomp gewöhnten Regenten erfüllte Antonio Caldara jeden Kompositionswunsch. Ob Opern, Oratorien, Kammermusik oder Kirchenwerke, Caldara war immer zur Stelle. Auch bei seiner geistlichen Motette „Crucifixus” sparte Caldara nicht mit Aufwand…

Als Chorknabe an der prächtigen Basilica San Marco in Venedig begann die musikalische Laufbahn von Antonio Caldara. Hier erlernte er das musikalische Handwerk, parallel war er auch noch Schüler des Instrumentalvirtuosen Giovanni Legrenzi. Nach Anstellungen in Mantua und Rom wurde Caldara dann 1716 als Vizekapellmeister an den Hof Kaiser Karls VI. nach Wien berufen, nachdem er bereits zuvor Kontakte zu diesem kunstsinnigen Regenten geknüpft hatte. In dieser Funktion verblieb Caldara bis zu seinem Tod und schrieb in diesen zwei Jahrzehnten mehr als 80 Opern, zahlreiche Oratorien und Kantaten sowie weitere kirchenmusikalische Werke. Mit Caldaras Tod endet die üppige Epoche der habsburgischen Hofmusik. 

Eines der beeindruckendsten Werke von Antonio Caldara ist eine separate Vertonung des Satzes „Crucifixus” aus dem Credo. Um die Drastik der Situation um die Kreuzigung Christi deutlich zu schildern, entschied sich Caldara hier für eine ungewöhnliche Besetzung: 16 Stimmen werden auf vier Chöre zu jeweils gleichen Stimmen aufgeteilt. Auf diese Weise wandert das Hauptthema des relativ kurzen Werkes von der höchsten Stimme des Soprans bis hin zum Bass durch den gesamten Chor. Symbolisiert wird damit ganz klar das Herabsteigen Christi zu den Toten und die Grablegung. Vorgesehen war das „Crucifixus” von Caldara ganz sicher für eine Andacht in der Karwoche.

Links:

Noten: http://www0.cpdl.org/wiki/images/6/60/Ws-cald-cru.pdf

Crucifixus etiam pro nobis sub Pontio Pilato:
Passus, et sepultus est.

Gekreuzigt wurde er sogar für uns, unter Pontius Pilatus 
hat er den Tod erlitten und ist begraben worden.

Noten: http://www0.cpdl.org/wiki/images/6/60/Ws-cald-cru.pdf


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