Tutti debiam cantare
Weihnachtsmusik der italienischen Renaissance
Tutti debiam cantare (“Lasst uns alle singen”) ist der Titel des zweiten Teils der Weihnachtsreihe von Capella de la Torre. In diesem Programm stehen Werke italienischer Renaissance-Komponistinnen und Komponisten im Mittelpunkt. Schon zu ihrer Entstehungszeit waren sie so berühmt, dass Komponisten wie Georg Friedrich Händel sie in eigenen Werken weiter verwendeten. Ein besonders prominentes Beispiel ist das neapolitanische Lied “Quando nascette ninno” – weltberühmt geworden im Messias von Händel.
Die Lauda war in Italien über mehrere Jahrhunderte hinweg eine sehr beliebte Form der geistlichen Andachtsmusik. Diese eingängigen Gesänge häuften sich zu den großen Festen des Kirchenjahres, insbesondere zu Weihnachten.
Die Texte der Lauden wurden in der Landessprache – und nicht im liturgischen Latein – verfasst und überwiegend anonym vertont. Zunächst waren die Lauden meist einstimmig gestaltet, später wurden auch sie mehrstimmig gesetzt. Dabei fanden meist recht eingängige Melodien Verwendung, wodurch die Lauden einen populären Konstrast zu den gelehrten anderen Gattungen der Mehrstimmigkeit bildeten. Die Lauda „Tutti debiam cantare“ stammt aus dem 15. Jahrhundert und besingt in ausgelassener Fröhlichkeit die Geburt Christi.
Tutti debiam cantare,
far festa cum legrezza,
lassando ogni mestezza,
ogni dolore.
Tra’l boe e l’asinello
l’è nato sopra il fenoto
tolemolo nel seno
ché non giacia.
Andiam tutti adorarlo,
ch’e lì è nostro Signore
qual patirá dolore
per il peccato.
Andiamo, chè l’ é nato
con puro dolce affetto
basando il sacro petto
con timore.
Wir müssen alle singen,
feiern und fröhlich sein,
dabei alle Traurigkeit und
allen Schmerz vergessen.
Zwischen Ochs und Esel
wurde Er auf dem Stroh geboren
und an die Brust
gelegt.
Gehen wir alle hin und beten ihn an,
ihn, der unser Herr ist,
und der Schmerz erleiden wird
für unsere Sünden.
Gehen wir hin, denn er ist geboren,
aus Liebe und wird
mit Ehrfurcht empfangen.
Weihnachten – Zeit der Freude. Das ist auch in vielen traditionell überlieferten Weihnachtsliedern zu spüren. „Gaudete“ – „Freuet Euch“!
Das traditionelle Weihnachstlied „Gaudete, Christus natus est“ stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde erstmals 1582 in einer Liedsammlung veröffentlicht. Das mehrstrophige Lied lebt von dem eingängigen Refrain, der immer wieder die Freude als besonderen Weihnachtsmoment heraufbeschwört.
Gaudete, gaudete Christus est natus
ex Maria virgine, gaudete.
Tempus adest gratiæ,
hoc quod optabamus,
Carmina læticiæ
devote reddamus.
Deus homo factus est
Natura mirante,
Mundus renovatus est
a Christo regnante.
Ezechielis porta
clausa pertransitur,
Unde lux est orta,
salus invenitur.
Ergo nostra concio
Psallat iam in lustro;
Benedicat Domino:
Salus Regi nostro.
Freut euch, Christus ist geboren,
aus Maria der Jungfrau, freuet euch.
Gnadenreiche Zeit ist da,
die wir heiß erflehten,
lasst und jubeln immerdar,
voller Inbrunst beten.
Gott ist Mensch geworden heut,
des wundert sich alle Welt.
jetzt beginnt die neue Zeit,
mit Jesus Christus als König.
Ezechiels Tor geschlossen war,
ist nur aufgegangen,
woher das Licht erschienen war,
wir das Heil empfangen.
Daher soll unsre Gemeinde
schon auf Erden Preislieder singen,
unseren Herrn preisen;
Heil unserem König!
Mailand war die Wirkungsstätte des Komponisten und Kapellmeisters Giovanni Paolo Cima. Hier hat er viele geistliche Werke veröffentlicht.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/2/2a/Hodie_Christus_natus_est_Cima.pdf
In Mailand geboren und aufgewachsen, blieb Giovan Paolo Cima als Organist und Kapellmeister der Kirche Santa Maria presso San Celso seiner Heimatstadt lebenslang treu. Cima veröffentlichte an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert eine stattliche Anzahl von geistlichen Werken, aber auch Instrumentalstücke, die damals offenbar auch im Gottesdienst dargeboten wurden.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/2/2a/Hodie_Christus_natus_est_Cima.pdf
Hodie Christus natus est:
Hodie Salvator apparuit:
Hodie in terra canunt Angeli,
laetantur Archangeli
Hodie exsultant justi, dicentes:
Gloria in excelsis Deo.
Alleluia.
Heute ist Christus geboren,
heute ist der Heiland erschienen.
Heute singen Engel auf der Erde,
und die Erzengel freuen sich.
Heute jubeln die Gerechten und sagen:
Ehre sei Gott in der Höhe.
Halleluja.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts tat sich viel in der geistlichen Musik in Italien. Es bildeten sich viele außerliturgische Formen heraus, die jenseits von Messe und Vesper für eine Popularisierung des Glaubens sorgen sollten.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/9/9e/Ws-lang-nel.pdf
Der spanische Komponist Francisco Soto de Lange kam Ende des 16. Jahrhunderts nach Rom, wo er als Sopranist in der päpstlichen Kapelle wirkte. Parallel wurde er aber auch als Komponist in der ewigen Stadt populär, und zwar im Umfeld des Oratorianer-Ordens, dem er selbst angehörte. Soto komponierte zahlreiche geistliche Gesänge in italienischer Sprache, die in den Andachten der Oratorianer gesungen wurden.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/9/9e/Ws-lang-nel.pdf
Nell’apparir del sempiterno sole
Ch’a mezzanotte più riluce intorno
Che l’altro non faria di mezzogiorno.
Cantaron Gloria gli Angeli nel cielo
E meritaro’ udir sì dolci accenti
Pastori che guardavano gli armenti.
Onde là, verso l’umile Bethleemme
Preser la via dicendo “andiam d’un tratto
E sì vedrem questo mirabil fatto!”.
Quivi trovaro’ in vili panni avvolto
Il fanciul, con Gioseffe e con Maria
O benedetta e nobil compagnia!
Bei Erscheinen der ewigen Sonne,
die zu Mitternacht mehr Licht spendet,
als es die andere zu Mittag vermag,
sangen die Engel im Himmel Gloria,
und würdig, diese süßen Klänge zu hören,
waren Hirten, die ihre Herden führten.
Damals fanden sie, in schäbige Tücher gewickelt,
den Jungen mit Josef und Maria.
O gesegnete und edle Gemeinschaft!
Die Pastorale als Instrumentalstück hat in Italien eine lange Tradition. In einem ruhig-schwingenden Dreiertakt sollen diese Kompositionen den Eindruck des Kindel-Wiegens zu Weihnachten vermitteln.
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Girolamo Frescobaldi galt in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts als außergewöhnlicher Instrumentalvirtuose. So schrieb der Florentiner Musiktheoretiker Severino Bonini 1640: „Der berühmte Girolamo Frescobaldi hat im Cembalo- und Orgelspiel eine neue Manier entdeckt, welche – wie jeder weiß – mittlerweile von der ganzen Welt als einzig musikalische angesehen wird. Wer heute nicht nach seinem Stil spielt, hat als Musiker jede Achtung verloren.“ Geboren in Ferrara, vollzog sich die Karriere von Frescobaldi vorrangig in Rom. Von 1608 bis zu seinem Tod 1643 versah er hier das Organistenamt am Petersdom. In seiner Amtszeit wurde dieses riesige Gotteshaus vollendet und erhielt ein Orgelkonzept nach Frescobaldis Vorstellungen. Sein hohes Ansehen als Komponist und Virtuose bewirkte, dass er sich seine Mäzene praktisch selbst auswählen konnte und größte künstlerische Freiheit genoss. Durch ein Netzwerk von Beziehungen zu angesehenen italienischen Adelsfamilien – allem voran den Medici und Barberini – konnte er unbegrenzt Werke veröffentlichen und wurde dadurch europaweit populär.
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Und wieder eine Lauda: Diese volkssprachlichen Gesänge waren zum Weihnachtsfest besonders beliebt. Und viele römische Kapellmeister des 16. und 17. Jahrhunderts haben Angebote für diese Nachfrage geschaffen.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/0/00/Animuccia-E_nato_il_grand%27Iddeo.pdf
Aus Florenz kam Giovanni Animuccia nach Rom und machte dort in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine steile kirchenmusikalische Karriere. Von 1555 bis zu seinem Tod 1571 war er Kapellmeister der Cappella Giulia am Petersdom, jenes Chores also, der alle Liturgien in der riesigen Petersbasilika musikalisch begleitet hat. Als einflussreicher Musiker hatte Animuccia aber auch engen Kontakt zu den Oratorianern in Rom und komponierte für diesen Orden zahlreiche Lauden, so auch das Weihnachtsstück: È nato il grand Iddio“.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/0/00/Animuccia-E_nato_il_grand%27Iddeo.pdf
È nato il grand’ Iddio
ogni cor si rallegri,
e nato il signor mio,
fugite o pensier egri,
gioia, letitia è canto
in cielo è in terra:
santo, santo, santo.
Die Laudentradition in Italien war der wichtigste Beitrag zum Etablieren einer volkssprachlichen religiösen Musik. Giovanni Animuccia hat im 16. Jahrhundert für entscheidende Impulse in dieser Gattung gesorgt.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/d/db/Animuccia-Levate_su_Pastori.pdf
Als direkter Vorgänger des berühmten Giovanni Pierluigi da Palestrina war Giovanni Animuccia von 1555 bis zu seinem Tod 1571 als Kapellmeister der Cappella Giulia am Petersdom tätig. Er stand damit an der Spitze jenes Chores, der alle Liturgien in der riesigen Petersbasilika musikalisch begleitet hat. Als einflussreicher Musiker hatte Animuccia aber auch engen Kontakt zu den Oratorianern in Rom und komponierte für diesen Orden zahlreiche Lauden, so auch das Weihnachtsstück: „Levate su pastori“.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/d/db/Animuccia-Levate_su_Pastori.pdf
Die Hirten sind voller Freude über die Geburt Christi, dass sie mit einem Tanz beginnen
Auch Maria als die Mutter Jesu hat zu Weihnachten in vielen Gesängen Ehrungen erhalten. Serafino Razzi hat Mitte des 16. Jahrhunderts besonders berührende Marien-Lauden verfasst.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/0/0f/Serafino_Razzi_O_Maria_diana_stella.pdf
Serafino Razzi war in erster Linie ein Kleriker und gehörte dem Dominikanerorden an. Den größten Teil seines Lebens verbrachte er in Florenz, wo er 1563 eine umfangreiche Lauden-Sammlung herausgab.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/0/0f/Serafino_Razzi_O_Maria_diana_stella.pdf
O Maria, diana stella
Che riluci più che’l sole;
La mia lingua dir non pole
O Maria, quanto sei bella.
O Maria di sol vestita,
Delle stelle coronata,
Dell aluna sei calzata,
Specchio sei di nostra vita.
O Maria, quel tuo bel manto
Che tu porti al santo choro,
Campo azzurro e stelle d’oro
È fiorito tutto quanto.
O Maria, Morgenstern,
die du heller als die Sonne leuchtest,
ich vermag nicht zu sagen,
O Maria, wie schön Du bist.
O Maria, von der Sonne gekleidet,
mit Sternen gekrönt,
mit dem Mond beschuht,
Du bist der Spiegel unseres Lebens.
O Maria, Dein schöner Mantel,
den du im heiligen Chor trägst,
blaues Feld und goldene Sterne,
ganz mit Blüten besät.
„Heute ist das Leben geboren“ – mit dieser schönen Metapher beginnt eine nächste Weihnachtslaude von Giovanni Animuccia, die im späten 16. Jahrhundert sicher viele römische Gläubige als Weihnachts-Ohrwurm hatten.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/f/f2/Animuccia-Hoggi_la_vita_nasce.pdf
Aus Florenz kam Giovanni Animuccia nach Rom und machte dort in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine steile kirchenmusikalische Karriere. Von 1555 bis zu seinem Tod 1571 war er Kapellmeister der Cappella Giulia am Petersdom, jenes Chores also, der alle Liturgien in der riesigen Petersbasilika musikalisch begleitet hat. Als einflussreicher Musiker hatte Animuccia aber auch engen Kontakt zu den Oratorianern in Rom und komponierte für diesen Orden zahlreiche Lauden, so auch das Weihnachtsstück „Hoggi la vita nasce“.
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Noten: https://www.cpdl.org/wiki/images/f/f2/Animuccia-Hoggi_la_vita_nasce.pdf
Hoggi la vita nasce,
chi temera piu morte,
vedima chiusa in fascie,
o gratiosa forte.
O di lieto e felice:
quand’ o’l Re de le stelle,
venne à succhiar mamelle
della mia genitrice.
Nessun piu mi dispreggi,
che nobile son’ io,
s’ho per fratelo Dio,
che fia che mi pareggi?
Benedetta sei tu,
fra le donne, o Maria,
et benedetto sia
il tuo figliuol Gesu.
„Kommt, lasst uns anbeten“ – dieser Ruf findet sich in vielen Weihnachtsliedern und bezieht sich auf die Hirten, die als erste das neugeborene Jesuskind in Bethlehem sehen konnten.
Venite adoriamo
Il nato Bambino,
Il figlio divino
Per noi sʼincarnò.
Venite, o pastori,
Che al pari del giorno,
Coi raggi dʼintorno,
La notte spuntò.
O candida notte,
Che i giorni fai lieti,
Già pria dei profeti
Di te si parlò.
O notte in cui nacque
ll Verbo del Padre
Che Vergine Madre
In seno portò.
Su dunque pastori,
Lasciate lʼovile,
Che notte simile
Giammai non spuntò.
Venite, adorate
In povera culla
Quel Dio che dal nulla
Il tutto formò.
Venite etc.
Kommt, lasst uns
das neugeborene Kind anbeten,
den göttlichen Sohn,
der für uns Fleisch geworden ist.
Kommt, ihr Hirten,
die ihr mitten in der Nacht,
von Euren Herden umgeben,
das Licht gesehen habt.
O wunderbare Nacht,
die du unsere Tage verschönerst,
wie es die Propheten
schon vorausgesagt hatten.
O Nacht, in der das Wort
des Vaters geboren wurde,
das die Jungfrau Maria
an ihre Brust gelegt hat.
Steht also auf, ihr Hirten,
lasst Eure Schafe,
denn eine solche Nacht
hat es noch nie gegeben.
Kommt, betet (das Kind) an,
das in einer armseligen Krippe liegt,
wo Gott aus dem Nichts
Alles erschaffen hat.
Kommt, lasst uns anbeten..
Das Wiegenlied hat zu Weihnachten in den verschiedensten europäischen Regionen eine große Tradition. In Neapel ist ein entsprechender Gesang im lokalen Dialekt sehr beliebt geworden: „Quanno nascette ninno“
Quando nascette Ninno a Bettelemme
Era notte, e pareva miezo juorno.
Maje le stelle – lustere e belle
Se vedetteno accussì:
‘a cchiù lucente
Jett’a chiammà li Magge a l’Urïente.
Als das Jesuskind in Bethlehem geboren wurde,
war es Nacht, aber es sah aus wie Mittag.
Niemals waren die Sterne so hell und schön,
und so klar zu sehen.
Die funkelnsten Stern aber
riefen die Weisen aus dem Morgenland herbei.
Mitwirkende:
- Margaret Hunter, sopran
- Mike Turnbull, percussion
- Birgit Bahr, alto shawm
- Frank Pschichholz, guitar and lute
- Falko Munkwitz, sackbut
- Martina Fiedler, organ
- Annette Hils, dulcian
- Katharina Bäuml, shawm and direction
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