Live-Konzert-Mitschnitt vom 12.09.2020 aus der Elisabethkirche Berlin

Die stille Betrachtung der Erde, deren Rotation in Bildern des europäischen Satellitensystems Copernicus live zu sehen ist und zeitgleich erklingende Kompositionen der Renaissance, die ihre je eigenen Geschichten über unseren Planeten erzählen, entwickeln im Konzert eine ganz eigenen Dynamik. So öffnen sich Gehör und Augen für das Zusammenwirken der ebenso grundlegenden wie zunehmend bedrohten Natur und der auf ihr basierenden kulturellen Entwicklung, die das Spezifische des auf der Erde lebenden Menschen darstellt. Nicht erst seit kurzem ist also klar, dass es die ERDE, unseren Planeten, zu schützen gilt, um ihn für kommende Generationen zu bewahren.

Großformatig in die Kuppel der Apsis der St. Elisabeth-Kirche projiziert, sind Bilder der Erde zu sehen. Dabei werden die Bilder von Copernicus zum ersten Mal mit Musik und im künstlerischen Kontext präsentiert.

Es erklingen Kompositionen von Heinrich Schütz („Domini est terra“), Giovanni Gabrieli, Claudio Monteverdi und anderen.
Die Capella de la Torre musiziert zusammen mit Mitgliedern des RIAS Kammerchores unter der Leitung von Katharina Bäuml.

Das Konzert ist Teil der Reihe FOCUSSING HUMANITY und wird gefördert durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.


Persönliches – Konzerte unter neuen Regeln

Die Erschaffung der Welt wird nicht nur in der Schöpfungsgeschichte des Buches Genesis berichtet, sondern auch viele andere liturgische Texte – Psalmen, Hymnen, Antiphonen – beziehen sich darauf. Wenn „omnis terra“, also der gesamte Erdkreis, zum Jubel aufgefordert wird, ist dies eine geradezu weltumspannende Botschaft. 

„Jubilate Deo omnis terra“ – Der ganze Erdkreis soll Gott loben. Um diese Botschaft musikalisch zu verdeutlichen, setzt Giovanni Gabrieli auf das gute alte Prinzip des Ohrwurms. Gleich fünfmal ist dieser Vers in seiner gleichnamigen Motette von der machtvolle Besetzung aller beteiligten Sänger und Instrumentalisten zu hören.

Als Ort der Uraufführung stand Gabrieli um 1600 ein gewaltiger Raum zur Verfügung: die von goldenen Mosaiken geschmückte Basilika San Marco in Venedig. Für die damaligen Besucher muss sich ein enormer Klangeindruck ergeben haben, da die Musiker von verschiedenen Emporen gesungen und gespielt haben, die aus dem Kirchenraum aufgrund hoher Brüstungen nicht einsehbar waren.

Die Musik kam in einer einmaligen, nicht medial wiederholbaren Aufführung unsichtbar „von oben“ auf die Menschen herab. Kann man diesen gewaltigen Eindruck heute eigentlich noch nachempfinden? 

Die Basilika San Marco in Venedig zählt zu den bedeutendsten Sakralbauten Europas. Errichtet im 11. Jahrhundert über den Gebeinen des Hl. Markus, unterstand die Kirche viele Jahrhunderte lang direkt der Herrschaft des Dogen und diente ihm als Ort der sakralen Repräsentation. Aber auch als Herkunftsort vieler musikalischer Werke spielt San Marco in Venedig eine große Rolle. Der reich ausgestattene Innenraum inspirierte Kapellmeister und Organisten des 15. bis 17. Jahrhunderts zu großartigen Kompositionen, wobei sie den sakralen Raum gewissermaßen als Bühne begriffen. Sängerchöre und Instrumentalensembles wurden bei den Aufführungen auf verschiedenen Emporen der Basilika postiert, für die Zuhörer muss sich dadurch ein enormer Raumeindruck ergeben haben. 

Von 1585 bis zu seinem Tode 1612 war Giovanni Gabrieli als Organist an San Marco tätig. Seine musikalische Prägung hatte er zuvor von seinem Onkel Andrea Gabrieli sowie durch einen mehrjährigen Aufenthalt bei Orlando di Lasso am Münchner Hof erhalten. Wie bereits sein Onkel veröffentlichte auch Giovanni Gabrieli eine Vielzahl von kirchenmusikalischen Werken, die den speziellen aufführungspraktischen Gegebenheiten der Basilika angepasst waren. 

Das Hauptwerk Gabrielis, in dem sich seine Auffassung von moderner Kirchenmusik manifestiert, ist die Sammlung „Sacrae Symphoniae“, deren zwei Bände 1597 bzw. posthum 1615 in Venedig erschienen. Neben zahlreichen mehrchörigen Motetten finden sich in den opulenten Ausgaben auch etliche rein instrumentale Werke, die der Komponist meist mit Sonata oder Canzona überschrieben hat. 

Im zweiten Band der „Sacrae Symphoniae“ findet sich Gabrielis Motette „Jubilate Deo omnis terra“. Im Text wird der gesamte Erdkreis („omnis terra“) zum Lob Gottes aufgefordert. Zur Verdeutlichung dieser Botschaft wählt Gabrieli eine zehnstimmige Besetzung mit Vokal- und Instrumentalstimmen. Diese große Stimmenzahl teilt er nicht in zwei blockhaft sich gegenüberstehende Chöre ein, sondern kombiniert sie ständig neu in abwechslungsreicher Weise. Um den Eindruck des unaufhörlichen Gotteslobes bei den Hörern „festzusetzen“, wendet Gabrieli in der Motette das Ritornell-Prinzip an: Insgesamt fünfmal wiederholt sich der jubelnde Ruf „Jubilate Deo omnis terra“ im gewaltigen Tutti aller Mitwirkenden. Hier lohnt auch ein Blick aufs Detail, denn Gabrieli unterscheidet mit einem einfachen metrischen Mittel zwischen Gott und Mensch: Der Abschnitt „Jubilate Deo“ („Lobet Gott“) wird im Dreiertakt dargeboten (drei steht für Dreifaltigkeit, Perfektion, Göttlichkeit), der nachfolgende Abschnitt „omnis terra“ („alle Welt“) dagegen im geraden Vierertakt (vier als Symbol für das Irdische). 

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/6/6f/IMSLP135841-WIMA.842a-Jubilate-Deo_Partitur.pdf

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Jubilate Deo omnis terra,
Quia sic benedicetur homo,
Qui timet dominum.
Deus Israel conjungat vos
Et sit ipse vobiscum,
Mittat vobis auxilium de sancto
Et de Sion tueatur vos.
Benedicat vobis dominus ex Sion,
Qui fecit coelum et terram.
Servite domino in laetitia!

Frohlockt Gott alle Welt,
Den so wird der Mensch gesegnet werden,
Der den Herrn fürchtet.
Der Gott Israels verbinde euch
Und sei selbst mit euch,
Er sende euch Hilfe aus dem Heiligtum
Und von Sion aus beschütze er euch.
Es segne euch der Herr von Sion,
Der Himmel und Erde erschaffen hat.
Dienet dem Herrn in Freuden!

Noten:

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„Malaga“ kennt jeder – von der Eissorte her. Mindestens genauso genussvoll war jedoch die Kirchenmusik in der Kathedrale der namensgebenden Stadt Málaga in Andalusien. Anfang des 17. Jahrhunderts wirkte dort der gebürtige Portugiese Estêvão de Brito als Kapellmeister.

Heute kennt man ihn kaum, zu Lebzeiten war er aber sehr populär und wurde sogar gebeten, in das Amt des Königlichen Kapellmeisters nach Madrid zu wechseln – was er allerdings abgeschlagen hat. Britos geistliche Werke zeichnen sich durch eine schlichte, aber sehr raffinierte Satzweise aus, wie im Hymnus „Lucis creator optime“ gut zu hören ist.

Zu den ältesten Gesängen der christlichen Liturgie zählen die Hymnen, also strophische Dichtungen, die einen inhaltlichen Bezug zum Verlauf des Kirchenjahres aufweisen. Der für die sonntägliche Vesper vorgesehene Hymnus „Lucis creator optime“ wird sogar keinem Geringeren als Papst Gregor dem Großen zugeschrieben, der im späten 6. Jahrhundert amtiert hat. Gott wird in fünf Versen als Schöpfer gepriesen, der die „Erschaffung der Welt mit den Anfängen des neuen Lichtes“ vollzogen hat.

Eine schlichte, aber zugleich sehr eindrucksvolle Vertonung dieses Hymnus’ stammt von dem gebürtigen Portugiesen Estêvão de Brito. Ende des 16. Jahrhunderts fand er eine erste Anstellung als Kapellmeister in der spanischen Stadt Badajoz – gelegen unmittelbar an der Grenze zwischen Portugal und Spanien. Parallel zur musikalischen verfolgte er auch eine klerikale Laufbahn und wurde 1608 zum Priester geweiht. Weitere fünf Jahre später wechselte er in das Amt des Kapellmeisters an der Kathedrale von Málaga, wobei er sich in einem Wettbewerb gegen vier Bewerber durchsetzte. Die hohe Anerkennung Britos in ganz Spanien zeigt sich auch darin, dass er 1618 das Angebot erhielt, als Kapellmeister am königlichen Hofes in Madrid tätig zu werden. Brito blieb aber in Málaga und komponierte überwiegend geistliche Werke, von denen leider nur ein gewisser Teil erhalten geblieben ist. Viele seiner mutmaßlichen geistlichen Villancicos sollen 1755 beim Erdbeben in Lissabon zerstört worden sein. 

Noten:

http://www2.cpdl.org/wiki/images/f/f1/Brito%2C_Est%C3%AAv%C3%A3o_de_-_Lucis_Creator_Optime.pdf

Lucis creator optime
Lucem dierum proferens,
Primordiis lucis novae
Mundi parans originem,

Qui mane junctum vesperi
Diem vocari praecipis,
Illabitur taetrum chaos,
Audi preces cum fletibus,

Ne mens gravata crimine
Vitae sit exsul munere,
Dum nil perenne cogitat
Seseque culpis illigat.

Caeleste pulset ostium,
Vitale tollat praemium,
Vitemus omne noxium,
Purgemus omne pessimum.

Praesta pater piissime
Patrique compar unice
Cum spiritu paraclito
Regnans per omne saeculum. Amen.

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Des Lichtes bester Schöpfer,
Der du das Tageslicht hervorbringst,
Der mit dem Beginn des neuen Lichtes
Die Erschaffung der Welt vorbereitest,

Der du den Morgen mit dem Abend zusammen
„Tag“ zu nennen befiehlst,
Schmutzige Verwirrung überfällt uns,
Erhöre unser Flehen mit Tränen,

Damit nicht die durch Vergehen belastete Seele
Ohne das Geschenk des Lebens sei,
Solange sie nicht Ewiges bedenkt
Und sich in Schuld verstrickt.

Sie klopfe an die Himmelstür,
Nehme den lebensspendenden Lohn entgegen,
Wir wollen alle Schuld vermeiden,
Alles Üble von uns tun.

Gewähre dies, mildester Vater
Und du, Eingeborener, dem Vater gleich,
Mit dem hilfespendenden Geist
Herrschend in alle Ewigkeit. Amen.

Noten:

http://www2.cpdl.org/wiki/images/f/f1/Brito%2C_Est%C3%AAv%C3%A3o_de_-_Lucis_Creator_Optime.pdf

Was befindet sich in den Tiefen der Erde? Reichtum, Schätze, Leben, aber auch Unerforschtes, Gefahren, Risiken. Wie weit darf die Ausnutzung der Erde betrieben werden? Wer schützt die Erde? 

Als „gentleman and servant to her most excellent Majestie“ bezeichnete sich Anthony Holborne selbst in seinen Veröffentlichungen. Welchen genauen Dienst er im Umkreis von Königin Elisabeth I. jedoch erfüllte, ist nicht bekannt. In jedem Falle hatte Holborne einen großen Sinn für die instrumentale Kammermusik und schrieb viele mehrstimmige Tanzsätze für Streich- und Blasinstrumente. Als „Lullaby“ bezeichnete er eine wiegende Galliarde. 

Das elisabethanische Zeitalter war in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts unheimlich reich an künstlerischen Impulsen und herausragenden Musikern. Viele davon waren unmittelbar mit dem königlichen Hof verbunden. Ganz sicher war dies auch der Fall bei Anthony Holborne, allerdings sind uns heute nur spärliche Informationen zu seiner Biographie überliefert. Demnach stand Holborne etwa ab Mitte der 1580er Jahre in engeren Kontakt mit dem Londoner Königshof und wurde dort Mitarbeiter im diplomatischen Dienst. Gleichzeitig widmete sich Holborne aber auch intensiv der Musik und veröffentlichte eine Reihe von Kompositionen für unterschiedliche Solo- und Ensemblebesetzungen. Holbornes Kompositionen erfreuten sich so großer Popularität, dass sie auch nach seinem Tod in zahlreichen Publikationen, sowohl in England als auch in Kontinentaleuropa, wiederaufgelegt wurden. 

Als größte Einzelveröffentlichung brachte Holborne 1599 einen Druck unter dem Titel „Pavans, Galliards, Almains und other short Airs“ für meist fünfstimmige Instrumentalbesetzung auf den Markt. Der Band umfasst insgesamt 65 Kompositionen, die von ihrer Grundstruktur meist auf übliche Tanzmodelle zurückgehen. Darüber hinaus gibt Holborne vielen Sätzen jedoch programmatische Titel, was sie in die Nähe von Charakterstücken rückt.

Der Titel „Lullaby“ folgt im raschen Dreiertakt dem Muster einer Galliarde, besitzt aber durchaus auch einen wiegenden Klangcharakter. 

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/4/41/IMSLP571966-PMLP240989-Full_Score.pdf

(instrumental)

Dieser Mann war wirklich fleißig: Melchior Franck komponierte rund 1.500 Vokal- und Instrumentalwerke und gilt somit als einer der produktivsten deutschen Komponisten des beginnenden 17. Jahrhunderts. Als langjähriger Kapellmeister am Hofe des Herzogs von Sachsen-Coburg waren Franck ideale Schaffensbedingungen beschieden, er veröffentlichte zahlreiche Sammlungen, vor allem mit Vokalmusik. Das vierstimmige Lied „Das Bergwerk wolln wir preisen“ erschien 1602 in dem Druck „Musikalische Bergreihen“ und preist den im tiefen Gestein verborgenen Reichtum.

Einen solch produktiven Komponisten wie Melchior Franck würde man in der Barockzeit vermutlich in eine Metropole wie Venedig, Paris oder Wien verorten. Aber nein, Melchior Franck, gebürtig in Zittau, absolvierte seine musikalische Laufbahn im kleinen Ort Coburg. Das klingt zunächst recht provinziell, allerdings sollte man sich da nicht täuschen, denn oftmals waren es Regenten in kleineren Territorien, die sich gerade über die Kunst und Kultur identifiziert haben. So war es auch in Coburg, nachdem diese Residenz im 16. Jahrhundert den Ernestinern als Herzogtum zugeteilt worden war. Das Herrschaftsgebiet war relativ klein und umfasste vor allem Orte und kleine Städte, die heute in Südthüringen liegen. Mit Johann Casimir kam hier ein Herzog an die Regierung, der sich zum Ziel gesetzt hatte, dieses kleine Herzogtum gehörig aufzupolieren. Das Schloss wurde ausgebaut, die Stadt Coburg umgestaltet und – nicht zuletzt eine angemessene Hofkapelle etabliert. Ein so umtriebiger Musiker wie Melchior Franck kam dem ehrgeizigen Herzog da gerade recht: Der Komponist lieferte, der Herzog zahlte. Auf diese Weise konnte Franck nach Herzenslust komponieren und seine Werke auch sogleich veröffentlichen. Insgesamt 40 Motettendrucke sowie 13 weitere Drucke mit weltlichen Werken hat er in Coburg publizieren können. 

In der Reihe dieser Drucke erschien 1602 die Sammlung „Musikalische Bergreihen“. Der Titel ist allerdings nicht allzu wörtlich zu nehmen, er bezieht sich weniger auf Berge, sondern ist mehr als allgemeine Bezeichnung für diese Lieder anzusehen. Lediglich das Eröffnungslied des Druckes weist einen Bezug zum Bergwerk und seinen verborgenen Schätzen auf. 

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/3/3a/IMSLP52269-PMLP108334-Das_Chorwerk_038_-_Franck,_Melchior_-_Musikalische_Bergreihen.pdf

Das Bergwerk wolln wir preisen,
Weil Gott drin tut beweisen,
Dass er allmächtig sei.
Gar mancherlei Metallen
Kann er nach seim Gefallen
In der Erd schaffen frei.
Das Silber und das rote Gold
Wird aus dem Stein gehauen,
Ist lieblich anzuschauen.
Dem Bergwerk sind wir hold.

Wann Gott tut Erz bescheren
Und uns damit verehren,
So freu sich jedermann,
Dieweil alle zugleiche,
Der Arm sowohl als reiche
Davon ihr Nahrung han.
Und wenn man Ausbeut geben tut,
Hört man die Bergleut singen,
Die Heurlein fröhlich klingen,
Und haben ein frischen Mut.

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/3/3a/IMSLP52269-PMLP108334-Das_Chorwerk_038_-_Franck,_Melchior_-_Musikalische_Bergreihen.pdf

Wenn es um 1600 in Deutschland eine herausragende musikalische Autorität gab, dann war es Michael Praetorius. Mit seinem geradezu monumentalen Werk als Komponist und Musikschriftsteller fungierte er damals als wichtigster Brückenbauer zwischen Renaissance und Barock. Seine vielen Instrumentalstücke begeistern in ihrer Frische und Lebendigkeit. 

Als Sohn eines lutherischen Pfarrers wurde Michael Praetorius im thüringischen Creuzburg geboren und erhielt seine erste musikalische Ausbildung an der Lateinschule in Torgau. Nach einem Theologie- und Philosophiestudium in Frankfurt (Oder) trat Praetorius um 1595 seine Tätigkeit als Organist und Kapellmeister am Hof von Wolfenbüttel an, die er bis zu seinem Tod innehaben sollte. Sein Wirken beschränkte sich allerdings nicht auf das kleine Herzogtum Wolfenbüttel: An vielen Orten im gesamten mitteldeutschen Raum war Praetorius als musikalische Autorität hoch geachtet. Er publizierte eine enorme Anzahl von geistlichen Kompositionen und verfasste gleichzeitig bedeutende musiktheoretische Werke.  

Die im Jahre 1612 publizierte Sammlung „Terpsichore“ stellt die einzige rein weltliche Veröffentlichung Praetorius’ dar. Der Druck enthält Tänze französischer Herkunft, deren Melodien Praetorius vermutlich vom Tanzmeister des Wolfenbütteler Herzogs erhalten und mit neuen Bass- und Mittelstimmen versehen hat. Der Name der Sammlung bezieht sich auf die Muse des Tanzes. 

Titelbild Terpsichore:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/5/51/IMSLP369232-PMLP176492-m_praetorius_tma_cantus.pdf

(instrumental)

Der Tod gehört zum Leben, unausweislich ist die Rückkehr zur Erde, zum Staub – „bisogna morire“. Ernst, Schicksal, Trauer, aber auch Zuversicht prägen die vielen Kompositionen, die sich mit dem Tod beschäftigen. 

Der Choral „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“ wurde im Reformationszeitalter von Nikolaus Herman gedichtet und diente über Jahrhunderte in vielen Gesangbüchern als „Ewigkeitslied“. Der Leipziger Thomaskantor Sethus Calvisius hat um 1600 einen schlichten Satz über dieses Lied angefertigt.

Als Sethus Calvisius 1594 Leipziger Thomaskantor wurde, konnte er bereits auf eine beträchtliche musikalische und wissenschaftliche Laufbahn zurückblicken. Parallel zu seinen Studien an den Universitäten von Helmstedt und Leipzig hatte er viel Musikpraxis betrieben, so unter anderem als Leiter von gottesdienstlichen Aufführungen in der Leipziger Paulinerkirche. 1582 ging er als Kantor und Bibliothekar an die Klosterschule Pforta, wo er auch seine ersten musiktheoretischen Traktate schrieb, darunter die Kompositionslehre „Melopoiia sive melodiae condendae ratio“. Dem Thomaskantorat verlieh er mit seinen umfassenden Fähigkeiten neues Gewicht. Mit Ambition und Können führte er neue, gründliche Regeln für den Chorgesang ein und schuf zahlreiche liturgische Kompositionen für den gottesdienstlichen Gebrauch. Bei seinen Schülern, Zuhörern und Vorgesetzten war Calvisius sehr beliebt, eine zeitgenössische Quelle charakterisiert ihn als „ehrlichen, aufrichtigen, frommen, gottesfürchtigen Mann ohne Falsch und Gleißnerey“. 

Besonders große Verbreitung erfuhren die Liedsätze, die Calvisius auf reformatorische Kirchenlieder schrieb und 1597 in dem Band „Harmonia cantionum ecclesiasticarum“ publizierte. Noch während Calvisius’ Lebzeiten musste dieser Druck aufgrund der großen Nachfrage in vielen mitteldeutschen Kantoreien dreimal wiederaufgelegt werden. 

Noten:

http://www2.cpdl.org/wiki/images/e/ea/Calv-wenn.pdf

Wenn mein Stündlein vorhanden ist
Und soll hinfarh’n mein’ Straße,
So g’leit’ du mich, Herr Jesu Christ,
Mit Hilf’ mich nicht verlaße!
Mein’ Seel’ an meinem letzten End’
Befehl’ ich dir in deine Händ’,
Du woll’st sie mir bewahren! 

Weil du vom Tod erstanden bist,
Werd’ ich im Grab nicht bleiben;
Mein höchster Trost dein’ Auffahrt ist,
Tod‘sfurcht kann sie vertreiben;
Denn wo du bist, da komm’ ich hin,
Daß ich stets bei dir leb’ und bin,
Drum fahr’ ich hin mit Freuden. 

So fahr’ ich hin zu Jesu Christ,
Mein’ Arm tu’ ich ausstrecken;
So schlaf’ ich ein und ruhe fein,
Kein Mensch kann mich aufwecken
Denn Jesus Christus, Gottes Sohn,
Der wird die Himmelstür auftun,
Mich führ’n zum ew’gen Leben.

Noten:

http://www2.cpdl.org/wiki/images/e/ea/Calv-wenn.pdf

Eigentlich war er ein Mann des Theaters, der keine Chance ausließ, das venezianische Opernpublikum mit Pomp, Dramatik und Klamauk zu begeistern. Dafür nutzte Francesco Cavalli den modernsten Musikstil und konnte auf führende Primadonnen setzen. Am Ende seines Lebens jedoch gab es einen erstaunlichen Wandel in seinen Werken. Cavalli komponierte eine Totenmesse, die nach seinem eigenen Ableben aufgeführt werden sollte. Sie gleicht einem ernsten Rückblick in die längst vergangene Vokalpolyphonie. 

Die Basilika San Marco in Venedig war die musikalische Heimat von Francesco Cavalli. Hier erhielt er als Chorknabe seine Ausbildung und stand dabei maßgeblich unter dem Einfluss von Claudio Monteverdi. 1639 stieg er zum Organisten der berühmten Kirche auf, 1668 schließlich wurde er Kapellmeister an San Marco. Naturgemäß widmete er sich in dieser Funktion auch der geistlichen Musik, davon zeugen Messen, Psalmen und weitere liturgische Werke. Sein wahres Herz – so scheint es allerdings – schlug für die zeitgenössische Oper. Über mehrere Jahrzehnte war er – trotz seiner hauptberuflichen Tätigkeit in der Kirche – der Opernkomponist Nr. 1 in Venedig. 

Man muss es ganz nüchtern sehen: Cavalli war zur richtigen Zeit mit den richtigen Talenten am richtigen Ort. 1637 wurde in Venedig das erste öffentliche und kommerziell betriebene Opernhaus eröffnet, weitere folgten in den folgenden Jahren und Jahrzehnten. Die Hauptsaison dieser Häuser vollzog sich während der Karnevalszeit, als die Stadt Venedig von auswärtigen Gästen förmlich überrollt wurde. Schnell sprach sich diese neuartige Unterhaltungsform der Oper unter den Venedig-Reisenden herum, so dass der Besuch seines Theaters zum festen Programm gehörte. Entsprechend groß war der Bedarf an neuen Stücken, an Komponisten, Sängern und Instrumentalisten. Francesco Cavalli stieg bereits 1639 in das Operngeschäft ein und blieb den Bühnen bis ins hohe Alter treu. 

Sein „Opus ultimum“ ist aber dennoch von ganz anderer Natur. Als er den eigenen Tod nahen spürte, komponierte Francesco Cavalli eine Totenmesse, die zu seiner eigenen Beerdigung aufgeführt werden sollte. Das groß besetzte Werk ist in einem retrospektiven Stil verfasst, der eher in das 16. Jahrhundert weist und strahlt großen Ernst, aber auch erhabene Würde aus. Der Introitus „Requiem aeternam“ ist der Eingangsgesang, der zur Eröffnung der Begräbnisfeierlichkeiten gesungen wurde. 

Noten:

http://www3.cpdl.org/wiki/images/6/60/Cavalli_Requiem_1.pdf

Requiem aeternam dona eis, Domine,
Et lux perpetua luceat eis.
Te decet hymnus, Deus, in Sion,
Et tibi reddetur votum in Jerusalem.
Exaudi orationem meam;
Ad te omnis caro veniet.

Herr, gib ihnen die ewige Ruhe,
Und das ewige Licht leuchte ihnen.
Dir gebührt Lobgesang, Gott in Sion,
Und dir werde das Gelübde in Jerusalem erfüllt.
Erhöre mein Gebet;
Zu dir wird alles Fleisch kommen.

Noten:

http://www3.cpdl.org/wiki/images/6/60/Cavalli_Requiem_1.pdf

Wie ein musikalischer Totentanz erscheint die „Passacaglia della vita“. Unaufhörlich erscheint in dieser Komposition nicht nur der Satz „bisogna morire“ („man muss sterben“), sondern auch ein gleichbleibendes musikalisches Motiv. – Dem Tod ist nicht zu entrinnen, sagt der Text in großer Beharrlichkeit. Und dennoch – die Musik klingt nicht gerade traurig. 

Die Stadt Rom war im 17. Jahrhundert ein wahrer Brennpunkt der musikalischen Entwicklung in Europa. Hier entstanden neue Gattungen und Stile, hier wirkten herausragende Musiker, unterstützt durch finanzkräftige Patrone. Dieser künstlerische Reichtum war das Ergebnis einer langen historischen Entwicklung. Hatte Rom im ausgehenden Mittelalter stark unter den Folgen des großen abendländischen Schismas und des Exils der Päpste in Avignon gelitten, so trat zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine Trendwende für die Stadt ein. Beflügelt von Humanismus und Renaissancegeist verliehen die fortan wieder in Rom ansässigen Päpste der Stadt eine unvergleichliche Pracht. Zahlreiche Kirchen und Paläste wurden erbaut, weitsichtige Straßenzüge und Plätze angelegt. Der Aufschwung setzte sich bis ins 17. Jahrhundert fort und gab der Stadt jenes unvergleichliche Bild, das auch noch heute nachvollziehbar ist. 

Von dieser Entwicklung profitierten auch die Musiker. Die meisten der führenden römischen Adelsfamilien besaßen einen ausgeprägten Sinn für Kunst und bemühten sich, bekannte Architekten, Maler, Bildhauer, Dichter, in besonderer Weise aber eben auch Musiker an ihren Hof zu verpflichten. So wurde Rom nach und nach einer der wichtigsten europäischen Anziehungspunkte für Kapellmeister, Sänger, Organisten und Instrumentalisten. Das barocke Rom war also eine klingende Stadt voll außergewöhnlicher Aufführungen und überragender Musiker, deren geballte Kreativität in der Musikgeschichte ihresgleichen sucht.

Einer der vielen römischen Musiker des beginnenden 17. Jahrhunderts war Stefano Landi. Er zählte zum engsten Künstlerkreis, den der Barberini-Papst Urban VIII. um sich geschart hatte. Landi sang in der Päpstlichen Kapelle mit und erhielt regelmäßig exklusive Aufträge von Kardinälen und Adligen. Mit seiner Oper „La morte d’Orfeo“ sorgte er 1619 für einen ersten Höhepunkt des Musiktheaters in Rom. Aber auch seine Madrigale und Arien entbehren nicht einer gewissen Dramatik. In seiner „Passacaglia della vita“ schafft Stefano Landi eine eindrucksvolle Synthese zwischen einer ernsten Betrachtung des Todes und einer eher lebensbejahenden Musik.  

Oh come t’inganni
Se pensi che gli anni
Non han da finire,
Bisogna morire.

È un sogno la vita
Che par sì gradita,
Che breve gioire,
Bisogna morire.

Non val medicina,
Non giova la china,
Non si può guarire,
Bisogna morire.

Si more cantando,
Si more suonando
La cetra zampogna,
Morire bisogna.

Si muore danzando,
Bevendo, mangiando
Con quella carogna
Morire bisogna.

I giovani putti
E gli uomini tutti
Son da incenerire,
Bisogna morire.

I sani, gl’infermi,
I bravi, gl’inermi,
Tutti han da finire,
Bisogna morire.

Non vaglion aberate
Minarie bravate
Che caglia l’ardire,
Bisogna morire.

Dotrina che giova,
Parola non trova,
Che plachi l’ardire,
Bisogna morire.

Non si trova modo
Di scioglier ‘sto nodo
Non vale fuggire,
Bisogna morire.

Commun’ è il statuto,
Non vale l’astuto
‘Sto colpo schernire,
Bisogna morire.

La morte crudele,
A tutti è infedele,
Ognuno svergogna,
Morire bisogna.

È pura pazzia
O gran frenesia
A dirsi menzogna,
Morire bisogna.

E quando che meno
Ti penti nel seno
Ti vien da finire,
Bisogna morire.

Se tu non ti pensi
Hai persi li sensi
Sei morto e puoi dire:
Bisogna morire.

______________________________________
Oh wie täuschst du dich,
Wenn du meinst, die Jahre
Hätten kein Ende,
Man muss sterben.

Ein Traum ist das Leben,
Der angenehm scheint,
Doch kurz ist die Freude,
Man muss sterben.

Nichts hilft Medizin,
Nichts die Chinarinde,
Es ist unheilbar,
Man muss sterben.

Man stirbt beim Singen,
Man stirbt beim Spielen
Von Gitarre und Dudelsack,
Man muss sterben.

Man stirbt beim Tanzen,
Beim Trinken, beim Essen,
In diesem Leib
Muss man sterben.

Die jungen Knaben 
Und alle Menschen
Sind zum Verbrennen da,
Man muss sterben.

Die Gesunden, die Kranken,
Die Tapferen, die Wehrlosen,
Müssen alle enden.
Man muss sterben.

Es hilft keine Verzweiflung,
Keine Drohung,
Kein trotziges Aufbegehren,
Man muss sterben.

Nützliche Lehre
Findet keine Worte,
Dieses Begehren zu stillen,
Man muss sterben.

Man findet keinen Weg,
Diesen Knoten zu lösen,
Das Fliehen nützt nichts,
Man muss sterben.

Das ist allgemeines Gesetz,
Auch der Kluge vermag nicht,
Sich davor zu beschirmen,
Man muss sterben.

Der grausame Tod
Ist vollkommen perfide,
Er beschämt jeden,
Sterben muss man.

Es ist reiner Wahnsinn
Oder große Raserei,
Sich selbst zu belügen.
Sterben muss man.

Und wen du gar nicht daran denkst,
In deinem Herzen zu bereuen,
Kommt er, um dich zu erledigen,
Man muss sterben.

Wenn du nicht daran denkst,
Hast du deinen Verstand verloren,
Du bist tot und kannst sagen:
Man muss sterben.

Die Erde versorgt den Menschen mit Nahrung, Wein und Liebe. Bei gerechter Verteilung wäre mehr als genug für alle da. 

Mit Pomp hielten sich die Medici wahrlich nicht zurück. Die Familiendynastie, die mehrere Jahrhunderte über Florenz herrschte, zeigte ihren Machtanspruch auch gern durch Mittel der Kunst. Auch als 1589 der neue Medici-Chef Ferdinando I. die Prinzessin Christine von Lothringen heiratete, ließ man sich nicht lumpen. Die Feiern wurden mit einem aufwändigen Bühnenspektakel begleitet, den „Pellegrina-Intermedien“. In sechs Teilen konnte das erlesene Publikum alle nur denkbaren allegorischen Anspielungen auf das neue Paar erleben, vertont von den führenden Musikern vor Ort. Einer davon war der Hofmusiker Cristofano Malvezzi, der die Hochzeitsgesellschaft mit schmissiger Musik bei Laune gehalten hat. 

Funfact am Rande: Der Bräutigam war schon mit 14 Jahren Kardinal geworden und musste diesen Rang mit der Heirat aufgeben…

So stark wie keine andere Dynastie haben die Medici in der Vergangenheit die Stadt Florenz geprägt. Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert stellten sie die Großherzöge der Toscana, ferner wurden drei Mitglieder der weit verzweigten Familie ins Papstamt gewählt, weitere gehörten dem Kardinalskollegium an oder wurden durch Heiratspolitik mit anderen europäischen Adelshäusern in Verbindung gebracht. Das heutige Stadtbild von Florenz wäre ohne den Einfluss der Medici nicht vorstellbar. 

Über Generationen hinweg fungierten die Medici auch als Förderer der Künste. Maler, Bildhauer, Architekten und Musiker ersten Ranges wurden entweder fest an den Hof gebunden oder mit lukrativen Aufträgen versorgt. Bildende Kunst und Musik waren also für die Medici ein wichtiges Mittel der Repräsentation ihrer Macht. Besonders deutlich äußerte sich dies anlässlich großer höfischer Empfänge und Festlichkeiten, wenn viele auswärtige Gäste in Florenz weilten. Eine solche Gelegenheit ergab sich 1589, als Großherzog Ferdinando I. seine Braut Christine von Lothringen heiratete. Im Adelsgeflecht war diese Verbindung wohl geplant gewesen – Christines Großvater war der französische König Heinrich II., ihre Großmutter Katharina von Medici. 

Als Rahmenprogramm dieser Hochzeit wurde ein bislang nie gekanntes Bühnenspektakel organisiert: die „Pellgrina-Intermedien“. In sechs Teilen konnte das erlesene Publikum eine Vielzahl allegorischer Anspielungen auf das neue Paar erleben, in einer Mischung aus Bühnenhandlung, Tanz und Gesang. Führende italienische Komponisten, die meisten davon in Diensten der Medici, trugen mit ihren Werken dazu bei, darunter neben Jacopo Peri, Luca Marenzio, Giulio Caccini und Emilio de Cavalieri auch Cristofano Malvezzi. Dieser Musiker kam aus Lucca und war zum einen als Organist an der Kirche San Lorenzo in Florenz beschäfigt, zum anderen als Hofkomponist der Medici. Für die Intermedien von 1589 schrieb Malvezzi zahlreiche Musikstücke, vor allem für den ersten und letzten Teil. Die instrumentale Sinfonia steht mit ihrem lebhaften Ausdruck am Beginn des 1. Intermediums. 

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/0/04/IMSLP131180-WIMA.ae12-sinfonia1.pdf

(instrumental)

Feste müssen gefeiert werden, wie sie fallen. Das dachte sich auch der dänische König Christian IV., als er 1634 – mitten im Krieg – die Hochzeit seines gleichnamigen Sohnes arrangierte. Als musikalischen Leiter dieses zweiwöchigen Mega-Ereignisses berief er den sächsischen Hofkapellmeister Heinrich Schütz, der sich für die Vor- und Nachbereitung rund anderthalb Jahre in Kopenhagen aufhielt. Trotz dieses offensichtlichen Riesenaufwands kennen wir nur eine einzige Komposition von Schütz, die zweifellos mit der Hochzeit in Verbindung gebracht werden kann: den Gesang „O der großen Wundertaten“. 

Mitten im bereits quälend lang andauernden Krieg – der später einmal der 30-jährige genannt werden sollte – machte sich das Königreich Dänemark daran, ein Zeichen der Stärke auszusenden. Nicht mit einem neuen Feldzug oder einem politischen Programm, sondern mit einer Hochzeitsfeier. König Christian IV. arrangierte die Hochzeit seines Sohnes Christian mit der sächsischen Prinzessin Magdalena Sibylla und lud bereits lange im Vorfeld Vertreter aller großen europäischen Fürstenhäuser dazu ein. Möglicherweise plante er, im Schatten der Hochzeit eine Art informelle Friedenskonferenz abzuhalten und die grausamen Kampfhandlungen somit beenden zu können. Dazu freilich kam es nicht. – Die Hochzeit selbst dagegen fand statt und wurde vom 5. bis 18. Oktober 1634 mit großem Pomp in Kopenhagen gefeiert. Da zur repräsentativen Ausstattung eines solchen Ereignisses immer die Musik gehört, machte man sich auf die Suche nach einem Musikdirektor. Die Wahl fiel auf den Dresdner Hofkapellmeister Heinrich Schütz, den der Bräutigam in spe bereits ein paar Jahre vorher in Leipzig kennengelernt hatte. Schütz bat seinen Vorgesetzten (der gleichzeitig der Brautvater war), den Kurfürsten von Sachsen, um Beurlaubung und reiste bereits knapp ein Jahr vor dem Hochzeitstermin nach Dänemark, begleitet übrigens von seinen Schülern Matthias Weckmann und Daniel Hemmerlein. 

Über die Vorbereitungen der Hochzeit können nur Spekulationen angestellt werden. Schütz hat dafür nicht nur selbst komponiert, sondern offenbar auch Stücke anderer Komponisten zusammengestellt, einstudiert und die musikalische Gesamtleitung über die Feiern innegehabt. Als Dank erhielt er den Titel „königlicher Kapellmeister“ und ein großzügiges Gehalt. 

Leider kann nur eine einzige Komposition von Schütz direkt mit dieser denkwürdigen Hochzeitsfeier von 1634 in Verbindung gebracht werden: der Gesang „O der großen Wundertaten“. Das Stück erklang vermutlich während eines Aufzugs zu einem der üblichen Ringrennen, die im „Begleitprogramm“ der Hochzeit stattfanden. Mit hohen Vokalstimmen und einem froh und rasch bewegten Dreiertakt feiert Schütz in diesem Stück die menschliche Liebe als „Wundertat“.

Noten:

http://www1.cpdl.org/wiki/images/0/0a/O_der_grossen_Wundertaten_Sch%C3%BCtz.pdf

O der großen Wundertaten,
Die die Lieb verrichten kann,
Die in Freude weiss zu raten,
Wenn sie hat gezündet an,
Unsre Herzen, unsern Mut,
Den sie mächtig trösten tut.

Noten:

http://www1.cpdl.org/wiki/images/0/0a/O_der_grossen_Wundertaten_Sch%C3%BCtz.pdf

Trinklieder müssen nicht gegrölt werden, sondern können trotz deftiger Texte sehr kultiviert klingen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Chanson „La terre les eaux va buvant“ des französischen Komponisten Guillaume de Costeley, der gegen Ende des 16. Jahrhunderts eng mit dem Königshof in Paris zusammenarbeitete. Dort kam diese Verknüpfung eines humorvollen und sehr direkten Textes mit ebenso lebensbejahender Musik bestens an. 

Schon im Alter von 40 Jahren konnte sich der französische Komponist Guillaume de Costeley zurücklehnen: Im angesehen Pariser Verlag Ballard erschien 1570 ein prachtvoller Druck mit seinem Gesamtwerk, das zu dieser Zeit rund 100 Chansons, also mehrstimmige weltliche Gesänge, umfasste. Der Titel der Sammlung ist ganz auf den Komponisten zuschnitten: „Musique de Guillaume Costeley“, als Sponsor fungierte kein Geringerer als der französische König Karl IX. – Eine größere Ehre als eine Gesamtausgabe zu Lebzeiten kann es für einen Komponisten eigentlich nicht geben. Als langjähriger Hofmusiker hatte sich Costeley bereits lange zuvor einen Namen gemacht. Seit ungefähr 1550 hielt er sich in Paris auf, veröffentlichte wenig später seine ersten Kompositionen, wurde dann als Organist an den Hof angestellt und rückte bald zum unmittelbaren musikalischen Lehrer und Berater der Königsfamilie auf. Karl IX. unterrichtete er schon als Knaben, was noch ein anderes Licht auf die später so großzügig erfolgte Förderung wirft. 

Ganz offensichtlich traf Guillaume de Costeley mit seinen vier- bis sechsstimmigen Chansons einen Nerv der Zeit. Mehrstimmige Gesänge außerhalb des Gottesdienstes galten in der höfischen Gesellschaft als modisch und waren deshalb auch in großer Zahl gefragt. Ähnlich wie bei den Madrigalen in Italien zur selben Zeit führen die Texte ins pralle Leben, es geht um Liebesfreud und -leid, um Naturschilderungen und nicht zuletzt – wie im Falle von „La terre les eaux va buvant“ – um das Trinken. 

Noten:

http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/d/d1/IMSLP270593-PMLP434921-costeley_1570_superius.pdf

La terre les eaux va buvant:
L’arbre la boit par sa racine,
La mer esparse boit le vent
Et le soleil boit la marine.

Le soleil est bu de la lune,
Tout boit, soit en haut ou en bas.
Suivant cette règle commune,
Pourquoi donc ne burons-nous pas?

__________________________________________________
Die Erde trinkt das Wasser:
Der Baum trinkt durch seine Wurzel,
Das aufgewühlte Meer trinkt den Wind
 Und die Sonne trinkt die Wellenflut.

Die Sonne wird vom Mond getrunken,
Alles trinkt, sei es oben oder unten.
Dieser allgemeinen Regel entsprechend
Warum trinken dann wir nicht?

Noten:

http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/d/d1/IMSLP270593-PMLP434921-costeley_1570_superius.pdf

Den vier Elementen werden traditionell die vier menschlichen Temperamente zur Seite gestellt. Für die Erde ist das Temperament der Melancholie maßgebend, eine ruhige Schwermut und Nachdenklichkeit. 

„Handl“ ist nicht gerade der eleganteste Familienname. Aber zum Glück gibt es die elegante lateinische Sprache. Also nannte sich der Komponist und Kantor Jacob Handl lieber in latinisierter Form Jacobus Gallus. Das klingt doch gleich viel besser. Komponiert hat er vor allem geistliche Gesänge für den Gottesdienst. 

Jacob Handl (oder latinisiert Jacobus Gallus) stammt aus dem Herzogtum Krain (heute in Slowenien) und war als Kapellmeister am Prämonstratenserstift in Obrowitz sowie an verschiedenen Kirchen in Olmütz tätig. 1585 wechselte er dann nach Prag, wo er als Kantor an der Kirche St. Johannes am Ufer wirkte und vor allem die vier Bände seiner Motettensammlung „Opus musicum“, die fast 400 Gesänge für das gesamte Kirchenjahr enthalten, veröffentlichte. 

In dieser Sammlung ist auch die Motette „Vae nobis quia peccavimus“ enthalten. Es handelt sich dabei um die Vertonung eines Verses aus den Klageliedern des Propheten Jeremias, die traditionell zur Liturgie der Karwoche zählen. Abwärts gerichtete Melodielinien und dichte Harmonien bewirken einen ernsten, melancholischen Gesamtausdruck.  

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/7/71/IMSLP591380-PMLP952112-vae.pdf

Vae nobis quia peccavimus,
Defecit gaudium cordis nostri,
Versus est in luctum chorus noster,
Cecidit corona capitis nostri.

___________________________________________
Wehe uns, weil wir gesündigt haben,
Geschwunden ist unseres Herzens Freude,
In Trauer gewandelt ist unser Gesang,
Niedergefallen ist der Kranz von unserem Haupt.

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/7/71/IMSLP591380-PMLP952112-vae.pdf

Hätte es um 1500 bereits Charts gegeben, er hätte sie angeführt: Josquin des Préz war ein europaweit bekannter Musiker, dessen Werke dank moderner Publikationen überall bekannt waren. Zugleich war er auch ein hochrangiger Kleriker, der es in der Hierarchie der katholischen Kirche weit gebracht hat. Deswegen hat er sich aber keineswegs nur auf die Sakralmusik konzentriert, sondern auch jede Menge „geerdeter“ Chansons komponiert. Das raffiniert kanonisch angelegte Stück „Plein de dueil“ widmet sich dem Gefühl der Melancholie.

Im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert befand sich Josquin des Préz auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn: Nacheinander hatte er sich in Diensten des französischen Königs, des Papstes in Rom und des Herzogs von Ferrara befunden und diese hochkarätigen Herrscher mit seiner außergewöhnlichen Musik, aber auch mit seiner selbstbewussten Persönlichkeit überzeugt. Dank des modernen Notendrucks wurden seine Werke – Messen, Motetten und Chansons – in vielen Musikmetropolen aufgeführt. Er selbst genoss als Kleriker großzügige Privilegien der katholischen Kirche. Die überlieferten Werke von Josquin sind Spitzenwerke der Renaissancezeit: Kaum einem anderen Komponisten gelang es wie ihm, eine unglaublich komplexe Satzweise mit einem höchst emotionalen Ausdruck zu verbinden. 

Neben den vielen geistlichen Werken sind von Josquin des Préz auch rund 60 Chansons sicher überliefert. Er widmete sich damit einer großen Modegattung der Zeit. Bereits während seiner ersten Anstellung als Sänger in der Hofkapelle René von Anjous in Aix-en-Provence muss er mit dem weltlichen Gesang in Kontakt gekommen sein. Später, in Diensten des französischen Königs Ludwig XI., wird sich dieser Kontakt zwangsläufig intensiviert haben, zumal Josquin hier in Johannes Ockeghem nicht nur einen der bedeutendsten Musiker überhaupt, sondern auch einen raffinierten Chanson-Komponisten traf. Da sich Josquin auch später immer wieder in höfischer Sphäre aufhielt, darf man davon ausgehen, dass ihn die Komposition von Chansons an allen Stationen seiner künstlerischen Laufbahn begleitet hat. Selbst den päpstlichen Sängern in Rom war das Singen von Chansons gut vertraut… 

Noten:

http://www3.cpdl.org/wiki/images/a/a5/Des_Prez-Plaine_de_dueil.pdf

Plaine de dueil et de melancolye
Voyant mon mal qui tousiours multiplye
Et qu’en la fin plus ne le puis porter
Contraincte suis pour moy reconforter
Me rendre’ a toy le surplus de ma vie.


Voll Trauer und Melancholie,
Sehend, dass mein Leid sich vervielfältigt
Und dass ich es am Ende nicht mehr ertragen kann,
Bin ich gezwungen, zu meinem Trost
Mich dir zu geben für den Rest meines Lebens.

Noten:

http://www3.cpdl.org/wiki/images/a/a5/Des_Prez-Plaine_de_dueil.pdf

Traditionell wird das Element „Erde“ mit dem Temperament der Melancholie verbunden. Von Anthony Holborne stammt ein Ensemblestück im gemächlichen Rhythmus einer Pavane, das den Titel „The Image of Melancholly“ trägt. Ganz offensichtlich war diese offizielle Darbietung von Melancholie im elisabethanischen England ein ganz wesentlicher Moment der kulturellen Identität.

Das elisabethanische Zeitalter war in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts unheimlich reich an künstlerischen Impulsen und herausragenden Musikern. Viele davon waren unmittelbar mit dem königlichen Hof verbunden. Ganz sicher war dies auch der Fall bei Anthony Holborne, allerdings sind uns heute nur spärliche Informationen zu seiner Biographie überliefert. Demnach stand Holborne etwa ab Mitte der 1580er Jahre in engeren Kontakt mit dem Londoner Königshof und wurde dort Mitarbeiter im diplomatischen Dienst. Gleichzeitig widmete sich Holborne aber auch intensiv der Musik und veröffentlichte eine Reihe von Kompositionen für unterschiedliche Solo- und Ensemblebesetzungen. Holbornes Kompositionen erfreuten sich so großer Popularität, dass sie auch nach seinem Tod in zahlreichen Publikationen, sowohl in England als auch in Kontinentaleuropa, wiederaufgelegt wurden. 

Als größte Einzelveröffentlichung brachte Holborne 1599 einen Druck unter dem Titel „Pavans, Galliards, Almains und other short Airs“ für meist fünfstimmige Instrumentalbesetzung auf den Markt. Der Band umfasst insgesamt 65 Kompositionen, die von ihrer Grundstruktur meist auf übliche Tanzmodelle zurückgehen. Darüber hinaus gibt Holborne vielen Sätzen jedoch programmatische Titel, was sie in die Nähe von Charakterstücken rückt.

Ein besonders plastisches Beispiel dafür ist die Pavane „The Image of Melancholly“. Holborne schließt sich damit einem allgemeinen Phänomen der elisabethanischen Gesellschaft an, der Hinwendung zur Melancholie. Dieses Moment durchzieht um 1600 viele musikalische Gattungen, darunter Lautenlieder, Consortmusik und Cembalowerke, aber auch die bildende Kunst. In Texten wurden die „letzten Dinge“ angesprochen, der musikalische Ausdruck ist ernst und schwer. Und dennoch ist es wohl ein falscher Schluss, die englische Gesellschaft des späten 16. Jahrhunderts einheitlich als morbid und lebensfern darzustellen: Die Herausgeber der entsprechenden Sammlungen jedenfalls wünschten ihren Käufern nicht selten „pleasure“ beim Musizieren. 

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/4/41/IMSLP571966-PMLP240989-Full_Score.pdf

(instrumental)

Fasziniert berichten Astronauten von ihrem Blick aus dem All auf den blauen Planeten – friedlich und wunderschön sieht die Erde aus in ihrer kaum ermesslichen Fülle der Natur. 

Der Hof von Mantua quillt im 15. bis 17. Jahrhundert geradezu über vor außergewöhnlichen Musikern. Einer davon war Giovanni Giacomo Gastoldi, der hier über einen langen Zeitraum wirkte. Mit viel „Fallala“ hat er in seinem Lied „Amor vittorioso“ für höfische Unterhaltung gesorgt.

Vom 14. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das Herzogtum Mantua von den Gonzaga regiert. In dieser langen Zeit entfaltete diese Herrscherdynastie in der oberitalienischen Stadt eine außergewöhnliche Pracht. Der Hof zog hervorragende Musiker an, war ein Zentrum der Madrigalkunst und der frühen Oper. Viele Werke von Jacquet von Mantua, Sigismondo d’India oder auch Claudio Monteverdi sind ohne die Unterstützung der Gonzaga nicht denkbar. 

Zu den vielen außergewöhnlichen Hofmusikern in Mantua zählte auch Giovanni Giacomo Gastoldi. Bereits als Knabe wurde er dem Kapitel der Hofkirche Santa Barbara anvertraut und erlernte das musikalische Handwerk unter der Anleitung Giaches de Werts. Als junger Mann erhielt Gastoldi eine Anstellung als Sänger der Kapelle und komponierte bereits zahlreiche Werke für den höfischen Musikbedarf. 1588 schließlich wurde er zum Kapellmeister der Hofkirche ernannt und wirkte in dieser Funktion bis zu seinem Tode. In dem 1591 publizierten Band „Balletti a 5 voci“ ist auch die Komposition „Amor vittorioso“ enthalten, die den triumphierenden Aspekt gegenseitiger Zuneigung illustriert. 

Noten:

http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/b/b9/IMSLP406156-PMLP170146-(10)_Gastoldi_GG_-_9_Amor_vittorioso_-_EN266-10(2016).PDF

Tutti venite armati
O forte miei soldati.
Fa la la
Io son l‘invitt‘Amore,
Giusto saettatore.
Non temete punto,
Ma in bella schiera uniti,
Me seguitate arditi.
Fa la la

Sembrano forti heroi
Quei che son contra voi.
Fa la la
Ma da chi sa ferire,
Non si sapran schermire.
Non temete punto,
Ma coraggiosi e forti,
Siat’ a la pugna accorti.
Fa la la

Lieti hor movete il piede,
Che vostre sian le prede,
Fa la la
Hor via feriam lo sdegno
Ch‘ei de la vita è indegno.
Non temete punto
Eterna sia la Gloria
E certa è la vittoria,
Fa la la

Già morto giace in terra
Chi ci avea mosso guerra,
Fa la la
Or gli altri suoi seguaci
Tutti assaliamo audaci.
Non temete punto,
Ecco ch‘i non estinti
Fuggon già sparsi e vinti,
Fa la la

_____________________________________
Kommt alle in Waffen,
Meine tapferen Soldaten.
Fa la la 
Ich bin der unbesiegbare Liebesgott,
Treffsicherer Bogenschütze.
Fürchtet euch kein Bisschen,
Sondern, in der schönen Schar vereint
Folgt mir voll Glut.
Fa la la 

Scheinen sie auch starke Helden,
Die euch gegenüberstehen.
Fa la la 
Auch wenn sie treffen können,
Verstehen sie nicht, sich zu schirmen.
Fürchtet euch kein Bisschen,
Sondern mutig und stark
Seid zur Schlacht bereit.
Fa la la 

Nun bewegt eure Füße mit Glück,
Euer wird die Beute sein!
Fa la la 
Los, trefft den Verächtlichen,
Der nicht wert ist, zu leben.
Fürchtet euch kein Bisschen,
Ewig ist unser Ruhm
Und sicher der Sieg.
Fa la la 

Schon liegt tot am Boden,
Der den Krieg gegen uns angezettelt hat,
Fa la la 
Jetzt greifen wir sein Gefolge 
Alle voll Kühnheit an.
Fürchtet euch kein Bisschen,
Schaut, die nicht gefallen sind,
Fliehen zerstreut und besiegt.
Fa la la 

Noten:

http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/b/b9/IMSLP406156-PMLP170146-(10)_Gastoldi_GG_-_9_Amor_vittorioso_-_EN266-10(2016).PDF

Ist dieses geniale Stück nun von Schütz oder nicht? Eine restlos befriedigende Antwort auf diese Frage wird es wohl auch in Zukunft nicht geben. Die 24-stimmige Psalmvertonung ist allerdings musikalisch so packend und beeindruckend, zudem noch instrumental außergewöhnlich besetzt, dass man sie immer wieder hören möchte.

Der 24. Psalm preist in poetischer Weise Gott als den Herrn über die Erde und all ihre Bewohner. Dieser Psalm ist häufig vertont worden, eine besonders spektakuläre Version aus dem 17. Jahrhundert bildet das Finale der „Earth Music“. Die Urfassung dieses Stückes „Domini est terra“ stammt von Johann Stadlmayr und wurde 1645 in dessen Druck „Apparatus musicus“ veröffentlicht. In einer ehemals in der Universitätsbibliothek Königsberg aufbewahrten Handschrift befand sich allerdings eine bearbeitete und hinsichtlich der instrumentalen Pracht noch erweiterte Fassung, die zunächst Heinrich Schütz zugeschrieben wurde und auch Eingang in das Schütz-Werkeverzeichnis erhielt. Da das Originalmanuskript heute verschollen ist, kann die Autorschaft allerdings nicht mit letzter Sicherheit belegt werden. Unzweifelhaft handelt es sich jedoch bei dieser Psalmvertonung um eine Komposition von außerordentlicher Qualität und Wirkung. 

Angelegt ist das Stück in der großen Besetzung von 24 Stimmen. Der Komponist hat sie in mehrere Chöre eingeteilt, wobei stets Vokal- und Instrumentalstimmen miteinander kombiniert werden. So wirken unter anderem zwei Zinken, fünf Fagotte (!), zwei Violinen und vier Posaunen mit, hinzu kommen zahlreiche Sängerinnen und Sänger. Sehr dosiert geht Schütz (oder ein anderer?) mit der Tutti-Besetzung um. Sie erscheint nach zum ersten Mal bei den Worten „et plenitudo ejus“. Die „Fülle“ der Erde wird also mit der größtmöglichen Zahl an Stimmen und Instrumenten ausgedrückt. Zwischen den Tutti-Einschüben finden sich dagegen immer wieder neue und überraschende Stimmenkombinationen, so etwa Zinken, Violinen und zwei Basstimmen („Quia ipse super…“), Posaunen und zwei Soprane („Quis ascendet“) sowie der Fagott-Chor mit zwei Altstimmen („Innocens manibus“).

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/1/1f/IMSLP129551-PMLP252742-Schutz_Psalm24_SWV476.pdf

Domini est terra
Et plenitudo ejus,
Orbis terrarum et universi,
Qui habitant in eo,

Quia ipse super maria fundavit eum
Et super flumina praeparavit eum.
Quis ascendet in montem Domini
Aut quis stabit in loco sancto ejus?

Innocens manibus et mundo corde,
Qui non accepit in vano animam suam
Nec juravit dolo proximo suo.

Hic accipiet benedictionem a Domino
Et misericordiam a Deo salutari suo.

Haec est generatio quaerentium eum
Quaerentium faciem Dei Jacob.

Attollite, attollite portas principes vestras
Et levamini portae aeternales
Et introibit rex gloriae.

Quis est iste rex gloriae?
Dominus fortis et potens,
Dominus potens in proelio.

Domini est terra
Et plenitudo ejus,
Orbis terrarum et universi,
Qui habitant in eo.

Attollite, attollite portas principes vestras
Et levamini Portal aeternales
Et introibit rex gloriae.

Quis est iste rex gloriae?
Dominus virtutum. 
Ipse est rex, rex gloriae.

Domini est terra
Et plenitudo ejus
Orbis terrarum et universi
Qui habitant in eo.


Des Herrn ist die Erde
Und ihre Fülle,
Der Erdkreis und alle,
Die auf ihm wohnen,

Denn selbst hat er ihn über den Meeren errichtet
Und über die Flüsse hat er ihn bereitet.
Wer wird den Berg des Herrn besteigen
Oder wer wird auf seinem heiligen Ort stehen?

Der an Taten unschuldig und reinen Herzens ist,
Der nicht umsonst seine Seele empfangen hat
Noch seinem Nächsten einen Meineid geleistet.

Der wird die Segnung vom Herren empfangen
Und das Erbarmen von Gott, seinem Heil.

Dies ist der Stamm derer, die ihn suchen,
Die suchen den Anblick des Gottes Jacobs.

Tut auf, tut auf eure Pforten, ihr Herrscher,
Und öffnet euch, ihr ewigen Pforten
Und eintreten wird der König der Ehren.

Wer ist jener König der Ehren?
Der Herr, stark und mächtig,
Der Herr, mächtig im Streit.

Des Herrn ist die Erde
Und ihre Fülle,
Der Erdkreis und alle,
Die auf ihm wohnen.

Tut auf, tut auf eure Pforten, ihr Herrscher,
Und öffnet euch, ihr ewigen Pforten
Und eintreten wird der König der Ehren.

Wer ist jener König der Ehren?
Der Herr der Tugend.
Er selbst ist der König, der König der Ehren.

Des Herrn ist die Erde
Und ihre Fülle,
Der Erdkreis und alle,
Die auf ihm wohnen.

Noten:

https://ks.imslp.net/files/imglnks/usimg/1/1f/IMSLP129551-PMLP252742-Schutz_Psalm24_SWV476.pdf


Mitwirkende:

Sänger*innen

  • Margaret Hunter, Sopran
  • Mi-Young Kim, Sopran
  • Susanne Langner, Alt
  • Hildegard Rützel, Alt
  • Minsub Hong, Tenor
  • Volker Arndt, Tenor
  • Andrew Redmond, Bass
  • Jonathan de la Paz Zaens, Bass

Weitere Informationen:

https://www.rias-kammerchor.de/ueber-uns/chormitglieder/index_ger.html


Instrumentalist*innen der Capella de la Torre

  • Friederike Otto, Zink
  • Almut Schlicker, Violine
  • Christiane Gagelmann, Violine
  • Hildegard Wippermann, Pommer und Flöte
  • Birgit Bahr, Pommer und Tenordulzian
  • Gerd Schnackenberg, Posaune
  • Falko Munkwitz, Posaune
  • Yosuke Kurihara, Posaune und Bassposaune
  • Tural Ismayilov, Posaune und Bassposaune
  • Annette Hils, Bassdulzian 
  • Regina Hahnke, Bassdulzian
  • Moni Fischaleck, Bassdulzian
  • Johannes Vogt, Theorbe
  • Ulrich Wedemeier, Theorbe
  • Felix Görg, Violone
  • Martina Fiedler, Orgel
  • Peter A. Bauer, Percussion
  • Mike Turnbull, Percussion
  • Katharina Bäuml, Schalmei und Leitung

Weitere Informationen:

https://www.capella-de-la-torre.de/ensemble/ensemble/


4 Comments

  • Ich vermisse Eure Konzerte. Zuletzt hatte ich mich so auf das Konzert in der Zitadelle Spandau gefreut. Auf ein besseres 2021! – Glückwunsch zur Earth Music, habe die CD gleich bei jpc gekauft. Sie tröstet mich über die nicht so schönen Folgewirkungen meiner Covid-19-Infektion hinweg.

  • Vielen herzlichen Dank für das berührende Konzert am Freitag, den 9.10. Ich singe selbst ineinem Chor und finde das Repertoire sehr gelungen. Sie tröstet mich über die anstrengende Zeit mit COVID 19 hinweg.
    Viel Erfolg und vor allem Gesundheit wünscht
    Gesine Münch

  • Wir sind foh, dass wir eure Konzerte auf diese Art sehen und hören können. Es ist einfach eine tolle Idee, auf diesem Wege im Livestream die Konzerte miterleben zu können. Danke dafür – Bernward und Gertrud Hellbrück

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